Essen. Auch für Mieter mit kleinem Geldbeutel sieht die Stadt eine „entspannte Marktlage“. Dennoch gelten öffentlich geförderte Neubauten als notwendig, um etwa kinderreichen Familien oder Senioren Angebote zu machen.
In München rennen sie Vermietern bei Besichtigungen die Bude ein. In Hamburg verspeist man aus Protest gegen Miethaie demonstrativ Fischstäbchen. Und wer in Köln als Privatier Tipps für eine anständige Bleibe hat, dem winkt eine fette Vermittlungsprämie.
Aber Essen? Die große Wohnungsnot, die andernorts Mieter vor allem mit kleinem und mittlerem Geldbeutel verzweifeln lässt – in hiesigen Breiten ist davon (noch) nichts zu spüren: Von einer „entspannten Marktlage“ spricht die Stadt und erwartet auch für die nahe Zukunft, dass sich Angebot und Nachfrage im preiswerten Wohnsegment in etwa die Waage halten.
Zahl der Sozialwohnungen sinken
Dirk Miklikowski, Vorstandschef der städtischen Wohnungsgesellschaft Allbau, bringt es auf den Punkt: „Wir haben in Essen keine Wohnungsnot. Wer derzeit eine preiswerte Bleibe sucht, der findet sie auch.“ Und dies, obwohl die Zahl der so genannten Sozialwohnungen seit Jahren sinkt: Mit öffentlichen Darlehen gefördert, gilt für Sozialwohnungen eine Preisbremse und ein Belegungsrecht seitens der Stadt. Noch vor 25 Jahren unterlag jede dritte Wohnung im Stadtgebiet diesen Beschränkungen, heute ist es gerade noch jede 14., Tendenz weiter fallend.
Wenn die öffentlichen Gelder erst einmal zurückgezahlt sind, entfallen die Beschränkungen, und seit Jahr und Tag fallen auf diese Weise mehr Wohnungen aus der Sozialbindung als neue hinzukommen.
Sozialmiete bleibt unter 5 Euro je qm
Auch der Allbau macht da keine Ausnahme: Etwa 3.900 seiner 18.000 Wohnungen – also rund 22 Prozent des Gesamtbestandes, sind noch Sozialwohnungen. In den vergangenen drei Jahren, so schätzt Vorstandschef Miklikowski, kamen knapp 90 neue öffentlich geförderte Wohnungen hinzu, aber es fallen weit mehr aus der Statistik heraus.
Das ist so lange kein Problem, wie sich auch für Geringverdiener Wohnraum findet: 2.408 erteilte Bezugsgenehmigungen zählte die Stadt im vergangenen Jahr, und die zahlen in den aktuell etwa 900 zur Neuvermietung frei gemeldeten Sozialwohnungen Mieten in einem Korridor zwischen 4,68 bis 4,93 Euro je Quadratmeter – je nach Wohnungsgröße. Für neue Sozialwohnungen liegt die aktuelle Fördermiete bei 5,10 Euro je Quadratmeter.
Essen braucht mehr Investitionen in den sozialen Wohnungsbau
Schon klar: Wer am unteren Rand der Mietskala rangiert, auf den wartet nicht unbedingt die Traumwohnung in bester Lage. Bei Wohnungen im Bestand reicht der Standard bei weitem nicht an die heute übliche moderne Ausstattung heran.
Neubauten hingegen bieten eine Qualität, die sich sehen lassen kann – und die es den Investoren schwer machen, eine auskömmliche Miete anzusetzen: „Wir laufen den steigenden Baukosten hinterher“, seufzt Miklikowski, und das, obwohl eben erst die Fördersätze erhöht wurden. Die gestiegenen Anforderungen etwa in Sachen Energieeinsparung sind da nur ein Beispiel.
Trotz alledem sieht auch der Allbau-Chef die Notwendigkeit, in sozialen Wohnungsbau zu investieren. Denn kinderreiche Familien sind naturgemäß nicht mit 50-Quadratmeter-Hucken zufriedenzustellen. Und nennenswerte Teile des Wohnungsbestandes in Essen sind nicht das, was Miklikowski „demographiefest“ nennt: ausgelegt also auf eine immer ältere werdende Bevölkerung, die ein barrierefreies Zuhause braucht, damit sie so lange wie möglich ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden führen kann.
„Demographiefester“ Wohnraum
Im Bestand sind die Investitionen hierfür kaum rentabel, wie überhaupt manche Projekte, auch frei finanzierte, auf Kante genäht sind. Das Vorzeige-Projekt des Allbau am Niederfeldsee in Altendorf etwa ließ sich nur durch öffentliche Fördermittel rechnen. Die damit verbundenen Belegungsrechte aber durfte die städtische Wohnungsgesellschaft auf andere Standorte übertragen, eine – wie sagt Miklikowski so schön? – „kreative Anwendung der Förderprogramme“.
Mit der Folge, dass demnächst Nicht-so-gut-Verdiener auch Gutverdiener zum Nachbarn haben: Nicht nur in Immobilien zu denken, sondern in Quartieren, lautet die Devise, damit „keine überforderten Nachbarschaften“ entstehen. Und das ist nicht nur finanziell gemeint.