Essen. Beim ersten großen Treffen der Befürworter des Teilneubaus der Messe Essen sparte Oberbürgermeister Reinhard Paß am Dienstag nicht mit Dramatik: Das Bürgerbegehren spiele mit dem Feuer. Die Sorgen vor einer Kostenexplosion seien unbegründet.
Beim ersten Unterstützertreffen für den Teilneubau der Messe Essen hat Oberbürgermeister Reinhard Paß am Dienstag am Ernst der Lage keinen Zweifel gelassen: Falls das seit einigen Tagen laufende Bürgerbegehren zu einem Bürgerentscheid führt, und wenn dieser Entscheid sich mehrheitlich gegen das Vorhaben aussprechen sollte, dann würde dies die Messe Essen in eine schwere Krise stürzen. „In der Konsequenz würde das bedeuten, dass zwei Jahre lang gar nichts mehr passiert“, so der OB, „das wäre dann existenzgefährdend für die Messe Essen.“
Mit einiger Wahrscheinlichkeit würden Messe-Veranstalter sich in diesem Fall vom Standort Essen abwenden - mit Folgen, die bis hin zu einer kompletten Abwicklung des städtischen Unternehmens reichen könnten. Paß zufolge wären dann allein in Essen 3500 Arbeitsplätze gefährdet, es kämen auf die Stadt direkte und indirekte Abwicklungskosten in Höhe von knapp 300 Millionen Euro zu, etwa für Sozialpläne, Arbeitslosenhilfe und Verlustausgleiche. „Das ist die Verantwortung, vor der wir stehen, und das gilt auch für die, die das Begehren wollen“, sagte Reinhard Paß in Richtung von Grünen und Linken, die gestern ebenfalls dabei waren, aber stumm blieben.
Paß fand die richtigen Worte
Reinhard Paß hat gestern gleich zu Beginn der Pro-Messe-Kampagne den großen Hammer rausgeholt, und das Szenario, das der OB entwarf, mag manchem übertrieben vorkommen. Nur: Das ist es nicht, leider. Über den Messe-Teilneubau kontrovers zu diskutieren, war richtig, falsche und riskante Details konnten im Lauf der Debatte noch geändert werden, und auch die Grünen haben da ihre Verdienste. Zum jetzigen, fortgeschrittenen Zeitpunkt aber das ganze Vorhaben zu kippen, wäre auch angesichts bereits getätigter Ausgaben dramatisch falsch. Die Grünen haben es ab einem bestimmten Punkt nicht mehr geschafft, auf Pragmatismus umzuschalten. Der OB sagte es deutlich: Das von ihnen entscheidend befeuerte Bürgerbegehren kann die Existenz der Messe gefährden. Die Grünen, die in Essen eigentlich nie als Hasardeure auffallen, sind der Emotion des Themas offenbar erlegen und haben sich eine gewaltige Verantwortung aufgeladen.
Reinhard Paß hat gestern Punkte gemacht. Er agierte so, wie es ein OB tun muss, wenn seiner Stadt Schaden droht. Nicht oft haben wir diesen OB so entschlossen erlebt. Er weiß wohl: Wenn sein Projekt Messe-Umbau schief geht, dann wird, dann muss das Konsequenzen haben auch für ihn.
Der OB räumte ein, der Teilneubau für 123 Millionen Euro sei tatsächlich „auf Kante genäht“. Aber:: „Das Projekt ist dennoch beherrschbar, die von einigen befürchteten Kostensteigerungen sind nicht erkennbar.“ Vergleiche mit Stuttgart 21 oder dem Berliner Flughafen wies Paß zurück. Diese Projekte seien nicht nur von der Dimension und der Komplexität her weit größer, „in Essen werden die Fehler, die dort die Kosten hatten explodieren lassen, gerade nicht gemacht“, so Paß. Ständige, politisch motivierte Umplanungen seien Gift für die Kostentreue solcher Bauprojekte. Und bei der Messe habe man sich in der Planungsphase ausreichend Zeit genommen, auch um berechtigte Anliegen wie die der Gruga angemessen zu berücksichtigen.
Die meisten in der Unterstützer-Runde waren sich im Klaren, dass das Bürgerbegehren wohl ans Ziel kommen wird. „Wir werden nicht 14, 15 000 Menschen davon abhalten, ihre Unterschrift zu leisten, zumal es manchem wohl auch um ganz andere Dinge geht“, meinte CDU-Fraktionschef Thomas Kufen. Auch Paß ließ durchblicken, dass er diesen Teil des Verfahrens bereits abgehakt hat. Umso wichtiger sei es, den dann für 19. Januar vorterminierten Bürgerentscheid zu gewinnen - „nicht mit Polemik und politisch motiviertem Streit, sondern mit Fakten und Sachargumenten“.
Der mit Rücksicht auf die Großmessen äußerst eng getaktete Zeitplan für den Messe-Teilneubau gerät übrigens so oder so unter Druck: Vom Stichtag des Bürgerbegehrens am 29. Oktober - bis dahin zählen die Unterschriften - bis zum Bürgerentscheid darf von Gesetz wegen kein Geld mehr ausgegeben werden. Das bedeutet: Alle Pläne stünden auf Stopp. Und die Zeit rennt...
Bezirksregierung hält Messe-Kredit für verantwortbar
Bleiben wegen der Finanzierung des Teilneubaus der Messe andere städtische Aufgaben, etwa die Sanierung von Schulen auf der Strecke? Ja, behaupten die Gegner des Projekts, nein sagen die Stadt und die Parteien im Pro-Messe-Bündnis. Letztere können sich jetzt durch eine schriftliche Stellungnahme der Bezirksregierung bestätigt fühlen.
Auf Nachfrage der WAZ erklärte die kommunale Aufsichtsbehörde in Düsseldorf, sie habe keine Hinweise, dass wegen der Messe künftig andere Aufgaben in der Stadt vernachlässigt würden. Da Essen nicht mehr unter Nothaushaltsrecht, könne die Stadt weitgehend selbst den Kreditrahmen bestimmen. Aber: „Angesichts der hohen Verschuldung hält es die Bezirksregierung nach wie vor für geboten, weiterhin maximal nur so viel neue Kredite im investiven Bereich aufzunehmen, wie auf der anderen Seite getilgt werden können“. Bei der Frage des Kredits für die Messe „wurde mit der Stadt auch die Frage diskutiert, inwiefern dieses Ziel eingehalten werden kann“. Die Stadt selbst gehe davon aus, dass sie den Kredit in diesem Rahmen stemmen kann, ohne dass dies zu Lasten anderer wichtiger und dringlicher Projekte, wie der etwa der nötigen Schulsanierungen, geht. „Aufgrund der Erfahrungen der vergangenen Jahre hält auch die Bezirksregierung dies für grundsätzlich möglich“, heißt es abschließend in der Stellungnahme.