Essen. . Arno Klare (SPD) und Frank Höschen (Piraten) wollen in den Bundestag. Sie sind ausgebildete Pädagogen. Hier sprechen sie darüber, was Lehrer an Qualifikationen mitbringen, die sich für die Politik gut eignen.

Arno Klare (61) kommt aus bescheidenen Verhältnissen, und als er sein Lehramts-Studium der Philosophie und Germanistik an der Ruhr-Uni Bochum aufnahm, da fragte ihn sein Vater: „Junge, was studierst du da?“ – „Ich fürchte“, schreibt Klare in seinem Lebenslauf auf seiner Internet-Seite, „ich hab’s ihm nie hinreichend erläutern können.“

Gymnasiallehrer wollte er werden, doch weil es Anfang der Achtziger eine sogenannte „Lehrerschwemme“ gab, ging er nicht in den regulären Schuldienst, sondern unterrichtete eine Zeitlang in Moers arbeitslose Jugendliche, die ihren Hauptschulabschluss nachholten. „Da war ein Mädchen“, erinnert sich Klare, „die hatte wegen ihres Verhaltens in ganz NRW Schulverbot.“ Er bückte sich zu ihr herab, schaute in ihre Augen, und bat sie inständig, auf ihre Arbeitsblätter aufzupassen. „Am Ende des Jahres hatte sie noch alle komplett. Das war nicht selbstverständlich in diesem Kurs. Später hat sie mir gesagt, ich sei der erste gewesen, der sie überhaupt um etwas gebeten habe in ihrem Leben.“

Mit den Leuten reden auf Augenhöhe – das sei zu seinem politischen Prinzip geworden, sagt Arno Klare, der „wegen Willy Brandts Kniefall, einer Jahrhundergeste“ in die SPD eintrat und heute Geschäfsführer der SPD in Mülheim und Essen ist. Eine pädagogische Ausbildung und Politik hätten zunächst mal nicht viel miteinander zu tun, aber: „Man muss in beiden Fällen kommunikativ sein, zuhören können, sich auf unterschiedliche Menschen einstellen.“

Klare hofft jetzt, für die Sozialdemokraten für den Wahlkreis 118 (Mülheim, Essen-Borbeck) in den Bundestag einziehen zu können. Weiter südlich, im Wahlkreis 120, tritt Frank Höschen (48) für die Piraten an: Höschen hat in Dortmund Sonderpädagogik studiert und arbeitet seit 2009 an der Bernetalschule, einer Förderschule im Nordviertel. Er ist dort ihr stellvertretender Leiter.

Seit mehr als zwei Jahren ist er bei den „Piraten“, ein Bekannter nahm ihn mal zu einem Piraten-Stammtisch mit. „Vorher war ich komplett unpolitisch“, bekennt Höschen. „An den Piraten fasziniert mich ihre Art, Politik zu leben: Nicht alles wissen können, aber alles hinterfragen.“ Er glaubt, als Sonderpädagoge bringe er vor allem „kritisches Denken“ mit, das im politischen Geschäft weitgehend verlorengegangen sei. „Im Rat regiert das Viererbündnis, das führt zu unglaublichen Zwängen, kritisches Fragen ist verboten.“ Je mehr sich Höschen in die Kommunalpolitik einarbeitet, desto sicherer ist er: „Es wird Zeit, dass sich die Dinge ändern.“ In der Bildungspolitik, für die er sich naturgemäß besonders interessiert, warnt er vor „Inklusion als Sparmodell“: „Sie muss intelligent und auch mit großem finanziellen Aufwand betrieben werden.“

Dass im deutschen Bundestag viele Lehrer sitzen, ist übrigens ein Vorurteil. Die Zahl der Lehrer im Berliner Parlament ist von 81 (1998 bis 2002) auf mittlerweile 38 Lehrer gesunken (aktuelle Legislaturperiode). Davon sind 21 Gymnasial-Lehrer. Insgesamt gibt es 620 Abgeordnete. Die meisten arbeiten als Juristen.