Stimmberechtigte Bürger, die im Wahlkreis 120 („Essen III“) wohnen, können bei der Bundestagswahl am 22. September ihre Erststimme dem parteilosen Künstler Johannes Gramm geben. Der Maler und Fotograf, 49 Jahre alt, hat mit einer vielbeachteten Facebook-Aktion um Unterschriften geworben, die ihm die Kandidatur erst möglich gemacht haben. Gramm, der mehrere Jahre zum Vorstand des Kunsthauses Rellinghausen gehörte, wirbt unter anderem mit dem Slogan „Johannes Dieter Gramm – der Mann, der Ihrer Meinung ist“.

Das alles klingt nach einem Witz. Ist es aber nicht, versichert Gramm: „Das Ganze ist kein Scherz.“ Gramm weiß, dass seine Chancen auf ein Direkt-Mandat „nahe null“ liegen, und trotzdem: „Ich möchte im Berliner Bundestag die Menschen im Ruhrgebiet vertreten – all jene, die sonst keine Lobby haben.“

Um überhaupt auf den Stimmzettel zu kommen, benötigte er drei Bürger, die ihn offiziell vorschlugen – und anschließend 200 gültige Unterschriften: „Viele wussten gar nicht, dass das überhaupt geht.“ Über Facebook warb er um Signaturen. „Das ist nicht wie bei Bürger-Initiativen, dass man einfach irgendwo Listen auslegen kann“, erklärt Gramm. „Man bekommt vom Wahlamt amtliche, gestempelte Kreiswahlvorschlagsbögen. Jeder, der eine Unterschrift gibt, muss auch seine komplette Adresse angeben. Alles wird ernsthaft überprüft.“ In zwei Wochen schaffte er es, rund 300 Unterschriften zu sammeln. Dafür zog er auch über die Straßen im Essener Süden. „Bemerkenswert, wie schnell man als Politiker angerüpelt wird, selbst, wenn man noch gar kein Mandat hat“, sagt Gramm.

Dass die Chancen – auch angesichts der prominenten Mitbewerber, siehe Info-Kasten unter diesem Text – für ihn minimal sind, weiß Gramm, aber: „Ich hatte das schon viele Jahre vor. Demokratie lebt vom Mitmachen. Aber in einer Partei würde ich mich nicht zu Hause fühlen.“

Viele Details seiner Kandidatur sind noch unklar: Darf er Spenden annehmen, obwohl er parteilos ist? Kann er die Wahlkampf-Kosten absetzen? Gramm telefoniert im Moment häufig mit dem Essener Amt für Statistik und Wahlen, auch mit dem Büro des „Bundeswahlleiters“. Gramm: „Das ist interessant.“ Falls seine Kandidatur wider Erwarten erfolgreich sein sollte, könnte Gramm sich vorstellen, „im Feld der Kulturpolitik zu arbeiten, das ist ja mein Bereich.“

Sein Minimalziel für den 22. September lautet: „Mehr Stimmen bekommen als der Mann von der NPD.“