Essen. Das von Linken und Grünen initiierte Bürgerbegehren nimmt das Risiko in Kauf, dass die Messe Essen nicht zu reparierenden Schaden nimmt. Das ist ein zu hoher Preis. Die sonst so pragmatischen Essener Grünen zeigen hier keine kommunalpolitische Verantwortung. Ein Kommentar von WAZ-Redakteur Frank Stenglein
Ein Bürgerbegehren heißt so, damit Bürger die Möglichkeit haben, die Politik zu korrigieren. Geradezu klassisch war dies der Fall beim großen Straßenstreit, als Rüttenscheider Anwohner es nicht hinnehmen wollten, dass Politiker ihnen im Handstreich ihre vertrauten Straßennamen wegnehmen wollten.
Bei der Messe liegen die Dinge grundlegend anders: Eine große, aus der Bürgerschaft getragene Opposition gegen die teilweisen Neubaupläne ist nicht zu erkennen. Vielmehr benutzen zwei Fraktionen, die sich im Rat nicht durchsetzen konnten, das Vehikel Bürgerbegehren, um über diesen Umweg vielleicht doch noch zum Ziel zu kommen. Das ist zwar legitim, mit dem Geist der Bürgerbeteiligung aber eigentlich unvereinbar.
Für pragmatische Argumente nicht mehr zugänglich
Die Grünen haben sich im Laufe der Messe-Diskussion merklich radikalisiert, und es stört sie offenbar nicht, dass sie nun mit jenen Linken in einem Boot sitzen, deren Rigorismus sie im Rat sonst rabiat bekämpfen. Dabei ist nicht das Unbehagen an manchen Details der Messe-Pläne das Problem - dafür habe ich größtes Verständnis. Das Problem ist, dass eine bisher pragmatisch agierende Partei plötzlich beim Thema Messe für pragmatische Argumente nicht mehr zugänglich ist.
Denn das ganze Messe-Paket wieder aufzuschnüren, wie es die Grünen mit ihrem Bürgerbegehren ja letztlich bezwecken, bedeutet, eine nicht mehr zu reparierende Beschädigung der Messe zu riskieren. Es kann dazu führen, dass Messe-Veranstalter bei einer dann mehrjährigen Verzögerung der Sanierungspläne das Vertrauen in den Standort Essen verlieren und abwandern. Dies ist keineswegs ein Horrorszenario, sondern eine reale Perspektive.
Wenig zu tun mit verantwortlicher Kommunalpolitik
Dass die Grünen dies billigend in Kauf nehmen, ist schockierend, ja frivol und hat mit verantwortlicher Kommunalpolitik wenig zu tun. Die Essener Grünen gehen damit einen Schritt zurück in quasi fundamentalistische Zeiten. Um den besten Messe-Weg zu ringen und heftig zu debattieren, ist das eine, und da hat sich diese Zeitung wahrlich nichts vorzuwerfen. Viel zu lange haben gerade die Messe-Verantwortlichen offene Diskussionen gescheut, auch das stimmt. Etwas ganz anderes ist es aber, eine pragmatisch getroffene Mehrheitsentscheidung nicht zu akzeptieren und zu versuchen, sie mit der Brechstange umzudrehen - ohne Rücksicht auf Verluste.
Jeder Essener Bürger, der erwägt, bei den Links-Grünen zu unterschreiben, sollte deshalb wissen, was auf dem Spiel steht. Ein erfolgreiches Bürgerbegehren und ein dann folgender Entscheid könnten in der jetzigen Lage die Axt an die Messe Essen legen. Die Folgen wären: Investitionsruinen an der Norbertstraße und Verlust von Arbeitsplätzen. Das darf nicht passieren.