Essen. Die Klinikleitung des Alfried Krupp Krankenhauses in Essen-Rüttenscheid möchte einem Betriebsrat kündigen. Dieser sieht die vorgebrachten Vorwürfe jedoch als Vorwand, um ein missliebiges Mitglied loszuwerden. Im Prozess vor dem Arbeitsgericht wurde jetzt bekannt, dass die Krankenhausleitung sogar eine Detektei auf den Betriebsrat ansetzte.
Tobias Michel ist seit zwölf Jahren freigestellter Betriebsrat im Alfried-Krupp-Krankenhaus in Rüttenscheid. Und er würde von sich selbst sagen, dass er ein sehr engagierter Betriebsrat ist. Die Gewerkschaft Verdi nennt ihn unerschrocken. Fragt man Michel selbst, ob er in seinem Engagement auch manchmal anstrengend ist, kehrt er die Antwort um: „Ja, der Arbeitgeber ist manchmal angestrengt.“
Fakt ist, dass Michel ein profunder Kenner des Betriebsverfassungs-gesetzes ist. „Wir bespielen das Klavier hier nicht mit Gummistiefeln, sondern beherrschen die Noten“, sagt er dazu. Der 56-Jährige gibt neben seiner Betriebsratstätigkeit regelmäßig bundesweit Seminare für die Gewerkschaft Verdi.
Und genau deshalb liegt er jetzt mit seinem Arbeitgeber über Kreuz. Die Alfried-Krupp-Krankenhaus-Gesellschaft möchte Betriebsrat Michel außerordentlich kündigen und versucht das derzeit vor dem Arbeitsgericht Essen durchzusetzen. Es geht um zwei Vorwürfe, wie Geschäftsführer Horst A. Jeschke bestätigte: Zum einen soll sich Michel sinngemäß für seine Gewerkschaftsseminare Zeit genommen haben, wie es ihm beliebt. Und zum anderen soll er Betriebsgeheimnisse verraten haben, indem er Betriebsvereinbarungen ins Internet gestellt hat. Wie aus einem Schriftsatz des Arbeitgebers hervorgeht, hat dieser mindestens in einem Fall gar eine Detektei auf Michel angesetzt, um herauszufinden, was der Betriebsrat in seinen Seminaren erzählt.
Natürlich widerspricht Michel diesen Vorwürfen und sieht sich nach dem Verlauf des ersten Verhandlungstermins vor dem Arbeitsgericht vergangene Woche auch bestätigt. Sein Urteil wird das Gericht in etwa einem Monat sprechen.
Langjähriger Kampf im Krupp Krankenhaus
Doch Michel vermutet hinter all dem Streit andere Motive des Arbeitgebers. „Die Konflikte im Haus personalisieren sich“, sagt er. Der Arbeitgeber glaube, indem er eine Person auswechsle, seien die Probleme beseitigt. Abschiebung eines missliebigen Betriebsrats? Geschäftsführer Jeschke verneint: „Es geht darum, dass sich Herr Michel nicht an die Bedingungen hält.“ Jeschke sagt aber auch, dass die Zusammenarbeit mit Michel als Betriebsrat oftmals schwierig sei. „Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit gibt es nicht.“ Es sei ein Kampf, der sich schon viele Jahre hinziehe und der dem Haus hohe Kosten verursache. Laut Jeschke habe das Krankenhaus zwei Juristen angestellt, die sich vorwiegend mit Fragen der Mitbestimmung beschäftigen.
Im Falle einer Niederlage vor dem Arbeitsgericht kündigte Jeschke bereits an: „Wir werden uns die Begründung ansehen und behalten uns weitere Schritte vor“. Auch für Michel steht fest: „Ob ich gehe, will ich selbst entscheiden, oder die Beschäftigten, die mich gewählt haben.“
Beispiele für den Zwist
Die Auseinandersetzung im Alfried-Krupp-Krankenhaus Rüttenscheid reicht mindestens bis ins Jahr 2006 zurück. Damals erklärte sich das Krankenhaus zu einer kirchlichen Einrichtung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes. Die Geschäftsführung teilte Anfang 2006 dem Betriebsrat seine Auflösung mit. Der ging dagegen gerichtlich vor und siegte 2009 vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf. „Seitdem räumen wir immer noch auf“, sagt Betriebsrat Tobias Michel.
Küchenpersonal freigestellt
Im vergangenen Jahr machte die Klinik, deren Gesellschafterin die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach Stiftung ist, Schlagzeilen wegen ihrer Küche. Die Geschäftsführung hatte das Küchenpersonal – 36 Mitarbeiter – mitten im laufenden Betrieb freigestellt und durch einen externen Caterer ersetzt. Geschäftsführer Jeschke hatte damals selbst eingeräumt, dass man damit auch den Betriebsrat vor vollendete Tatsachen gestellt habe, weil eine Kommunikation mit einigen Mitgliedern bisweilen schwierig sei.
Aktuell versucht der Betriebsrat eine neue Arbeitszeitregelung durchzusetzen, um „die hohe Arbeitsbelastung der Beschäftigten im Alfried-Krupp-Krankenhaus zu verringern“, wie es die Gewerkschaft Verdi ausdrückt. Der Betriebsrat hatte kürzlich nach eigenen Angaben auch erfolgreich gegen den Einsatz so genannter Bufdis (Bundesfreiwilligendienst) im Klinikum geklagt.