Essen. . In einer überfallartigen Aktion hat die Geschäftsleitung des Krupp-Krankenhauses die Mitarbeiter der Küche in der vergangenen Woche freigestellt. Seither wird das Essen von einem Caterer geliefert. Wie zerrüttet die Kommunikation zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung ist, offenbarte eine Protestveranstaltung, zu der Verdi in die Klinik geladen hatte.
Betriebsrat Tobias Michel ergriff das Wort, was die ohnehin wehmütige Stimmung weiter sinken ließ: „Am Dienstag sind Fahrer des Hauses dazu angehalten worden, weiteren etwa 20 bis 25 Mitarbeitern der Spülküche Kündigungen zu überbringen.“ Betretene Gesichter, ein Raunen im Raum ob der schlechten Neuigkeit. Michel setzt nach: „Welcher Bereich“, fragt er eindringlich in den Raum, „ist der nächste?“
Die Antwort ist: „Wir haben niemandem eine Kündigung zugestellt und planen auch kein weiteres Outsourcing. Davon ist kein Wort wahr. Auch das Küchenteam ist bislang nicht gekündigt, sondern bei vollen Bezügen freigestellt“, betont der Vorsitzende der Klinik-Geschäftsführung, Horst A. Jeschke. Weiter will er die Ausführungen des Betriebsrates nicht kommentieren.
Wohl etwas „falsch verstanden“
Zurück zu Michel, der – mit dieser Aussage konfrontiert – einräumt, wohl etwas „falsch verstanden“ zu haben. Doch mittlerweile ist der Raum fast leer, die Falschnachricht von weiteren Kündigungen längst über die Flure verbreitet – womit die Verunsicherung in der Belegschaft weiter wächst.
Michel bietet einen Gesprächstermin Mitte kommender Woche an – Jeschke würde lieber heute als morgen die Verhandlungen aufnehmen. „Es gibt da nichts schön zu reden“, sagt er, „wir wissen selber, dass es keine Art und Weise ist, so mit langjährigen Mitarbeitern umzugehen.“ Umso dringender wolle man einen Sozialplan ausarbeiten – wozu Gespräche mit dem Betriebsrat unerlässlich sind.
Streit zwischen Klinikleitung und Mitarbeitervertretung schwelt seit Jahren
Doch der Streit zwischen Klinikleitung und Mitarbeitervertretung schwelt seit Jahren. Das Misstrauen auf beiden Seiten ist groß. „Als wir mitgeteilt haben, dass wir auf lange Sicht die Reha-Abteilung in Steele schließen müssen, hat der Betriebsrat am folgenden Tag zu einer mehrstündigen Sprechstunde geladen. Wäre das hier der Fall gewesen, hätten wir den Küchenbetrieb und damit die Versorgung von fast 600 Patienten nicht aufrecht erhalten können“, sagt Jeschke. Was letztlich den Ausschlag zu der unabgestimmten Freistellung gegeben habe.
Betriebsrat Michel hält dagegen: „Hätte man uns frühzeitig informiert, hätten wir uns über Veränderungen für den Küchenbetrieb in Ruhe unterhalten können.“ Doch Veränderungen allein reichen nicht, wie Jeschke betont: „Die Kosten sind zuletzt um sechs Prozent gestiegen, der Ertrag nur um rund 1,5 Prozent. Wir sind ohnehin das letzte Essener Krankenhaus, das sich noch eine eigene Küche leistet. In allen anderen Häusern sind diese Bereiche längst fremd vergeben.“
So ist die Schließung des Küchenbetriebs eine Entscheidung, die das Geschäftsleitungsteam um Jeschke lange kommen sah. „Wir haben frühzeitig Kontakt zu anderen Firmen aufgenommen, die einige der Mitarbeiter gern zu den jetzigen Konditionen übernehmen würden.“ Nur sind die noch nicht informiert.
Betriebsrat will am alten Stand festhalten
Ohne Gespräche mit den Mitarbeitervertretern, wäre es schwierig, die Situation klar zu stellen. Fest steht: Für über die Hälfte der Betroffenen zeichnen sich Lösungen ab. In Form von Gehaltsfortzahlungen bis zum Ruhestand, in Form von Angeboten anderer Arbeitgeber, bei denen Krupp-Stiftung und -Krankenhaus für eine Weiterbeschäftigung warben.
Doch der Betriebsrat will am alten Stand festhalten. Während Jeschke betont, man habe mit den Katholischen Kliniken Duisburg feste Lieferverträge, die zunächst einen dreitägigen Test-Betrieb zur Installation und die anschließende dauerhafte Belieferung des Krankenhauses vorsähen, geht Michel davon aus, dass zunächst nur ein Testbetrieb läuft – und danach über das weitere Vorgehen verhandelt wird. „Dabei haben wir ganz klar ausgeschlossen, dass an unserer Entscheidung zur Fremdvergabe noch etwas zu ändern ist“, sagt hingegen Jeschke.
Zwischen betriebswirtschaftlicher Entscheidung und vielen – zum teil falschen Informationen – steht das Küchenteam, das nicht weiß, wie es weitergeht. Noch steht kein Sozialplan. Nicht einmal der Termin, zu dem Gespräche darüber aufgenommen werden, ist ausgehandelt. Dies kennzeichnet die langsame, die mühsame Annäherung in der seit Jahren schleppenden Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretung, die längst Gerichte beschäftigt. Wegen der unabgesprochenen Freistellung, „die ein klarer Verstoß gegen die Betriebsverfassung ist“, hat Betriebsrat Michel Kontakt zur Staatsanwaltschaft aufgenommen. In einem Eilverfahren vor dem Essener Arbeitsgericht will der Betriebsrat zudem die Wiederherstellung des Küchenbetriebs mit allen angesiedelten Arbeitsplätzen erreichen. Gleichwohl Michel einräumt, sich damit wenig Chancen auszurechnen. „Die Tatsachen sind von Arbeitgeberseite ja schon geschaffen worden, sie lassen sich also auch durch eine einstweilige Anordnung nicht mehr aufheben.“
So wird hin und her diskutiert über Menschen, die nur eins wollen: Wissen, wie es weiter geht. Eine der Küchen-Damen bringt es klar auf den Punkt: „Ich habe hier immer gern gearbeitet. Wir waren schon ein tolles Team“, sagt sie. „Wenn wir wenigstens wüssten, was kommt, wenn hier die Lichter ausgehen.“ Dabei sind die Lichter längst aus. Aber am Horizont sind – zumindest für einige Mitglieder des freigestellten Teams – neue Lichter in Sicht.