Im Stadthafen Essen treffen Schwimmer auf Industrie
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Essen. Der Hafen ist wohl nicht das schönste Stück Essen. Schiffe steuern hier hauptsächlich die ansässigen Firmen an, für Spaziergänger ist das Industriegebiet zu gefährlich. Bleibt das Wasser: Der Rhein-Herne-Kanal wird scherzhaft als längstes Freibad Essens bezeichnet. Immerhin sinken die Unfallzahlen.
Der Stadthafen Essen, das sind 1,6 Kilometer Kaimauer und 1,2 Millionen Quadratmeter Industriegebiet. Was gigantisch klingt – sich Flussreisenden auf dem Rhein-Herne-Kanal im Vorbeischippern aber kaum erschließt. Das Hauptgeschäft nämlich findet abseits des Kanals in einem Stichhafenbecken statt, während kanalseitig nicht mehr als rund 300 Meter Kaimauer zu sehen sind. Kaum in Sicht, heißt es also Obacht, sonst ist man durch, ehe man mitbekommt, dass man da war. Zudem: Wer, in Fahrtrichtung Duisburg, zu weit nach rechts steuert, landet in Bottrop an, denn mitten durch den Kanal verläuft die Stadtgrenze.
Man muss sagen: Das Hafengebiet ist kein schönes Stück Essen. Hier ist die Industrie zu Hause an teils schlaglochperforierten Straßen hinter Fassaden, die mehr zweckmäßig denn repräsentativ sind. Wohnbebauung ist im Altlasten-Verdachtsgebiet nicht gewünscht. Aus gutem Grund. „Bekämen wir hier Mischbebauung, wäre es schwierig, wenn wir neue Industriebetriebe ansiedeln wollen“, sagt Hafenleiter Ralf Fink. So bleibt die Fläche in städtischem Besitz, wird langfristig verpachtet, damit die Stadt die industrielle Besiedlung steuern kann.
Denn nur über diese Firmen rechnet sich auch der Hafenbetrieb. „An manchen Tagen fertigen wir hier nicht mehr als ein Schiff ab“, sagt Fink. Eine Drehscheibe zur Weiterverteilung von Gütern in alle Welt ist der Essener Hafen nicht. Schon weil Lage und niedrige Durchfahrthöhen der Brücken den Gütertransport limitieren. Hoch beladene Containerschiffe, sie kommen erst gar nicht nach Essen.
So ist der Hafen mehr „Lieferanschrift“ für die Firmen, die in Kanalnähe produzierendes Gewerbe betreiben und den Standort auch gewählt haben, weil ihre Produktionsmaterialien auf dem Wasserwege gebracht werden. Nicht selten erfolgt die Verteilung ab Hafenbecken per Schiene. „Wir haben zwei Rangierloks und 30 Güterwagen in Betrieb“, sagt Fink. Das Schienennetz zieht sich durchs Industriegebiet.
Der Stadthafen Essen
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Ein einfaches Rechenspiel
Konjunkturelle Durststrecken ansässiger Firmen wirken sich damit direkt auf den Hafen aus. „Wenn die Produktion rückläufig ist, wird nichts mehr angeliefert“, sagt Fink. Nach neuen Wegen, den Hafen wieder zu beleben, habe man gesucht, „aber das ist ein einfaches Rechenspiel“. Nehmen wir den Autohandel mit Afrika: Auf ein Schiff passen mehrere hundert Autos, auf einen Lkw zehn, maximal zwölf. Rechnet man die Kosten hoch, sei es wenig attraktiv, ein halb leeres Schiff gen Rotterdam zu schicken.
Zur Hoch-Zeit des Hafens war das anders. „Da standen die Schiffe im Stichkanalbecken so dicht aneinander, dass man von Schiff zu Schiff trockenen Fußes das Hafenbecken überqueren konnte“, sagt Fink. Doch das Zechensterben brachte auch dem Hafen Ruhe. Zwar haben Feuerwehr und Wasserschutzpolizei noch Bootsanleger, doch auch hier ist der Betrieb überschaubar und eher der Verpflichtung durch die Bezirksregierung geschuldet, den Rhein-Herne-Kanal im Essener Stadtgebiet zu sichern.
Kein Ort für romantische Spaziergänge am Wasser. Nicht einmal die Passagiere des Weiße-Flotte-Dampfers Baldeney, der im Hafen einen festen Liegeplatz hat, dürfen dort zusteigen. „Hier im Industriegebiet ist es für Spaziergänger einfach zu gefährlich“, erklärt Fink.
Bleibt das Wasser, das schon immer Schwimmer anzog. „Scherzhaft nennen wir den Rhein-Herne-Kanal das längste Freibad Essens“, sagt ein Besatzungsmitglied des Feuerwehrbootes. Als das Strandbad Dellwig schloss, habe man mit steigenden Unfallzahlen gerechnet. Bewahrheitet hat sich das nicht – eher im Gegenteil. Sie seien rückläufig, wie so vieles im Hafengebiet.
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