Essen-Borbeck. . Das Historische und Aristokratische hat die Stadt dem Borbecker Schlosspark nach Kräften ausgetrieben. Dennoch gibt es noch Relikte aus alter Zeit, manches mehr wollen die Denkmalpfleger rekonstruieren.
Wer genau hinsieht, der kann sie an einigen Stellen entdecken, die Reste eines einst mit Bedacht angelegten englischen Landschaftsgartens. Und selbst von der abgezirkelten barocken Gartenarchitektur, wie sie in Frankreich häufig ist, lassen sich Spuren finden. Kein Zweifel: Der Borbecker Schlosspark ist unter den inzwischen zahlreichen Essener Grünanlagen etwas ganz besonderes. Bis 1803 war das Schloss die Sommerresidenz der Essener Fürstäbtissinnen, die Ursprünge des Parks gehen auf das 16. Jahrhundert zurück. Er ist damit nicht nur der weitaus älteste Park der Stadt, Historiker halten ihn für einen der ältesten des gesamten Rheinlands.
Daran gemessen, ist nicht immer gut mit ihm umgegangen worden. Vor allem in den Nachkriegsjahrzehnten - erst seit 1942 ist die Stadt Eigentümer -, wurde manches ahnungslos zerstört. Am schwersten wiegt vielleicht der Verlust der alten Kaskaden, durch die das Wasser der Borbecke durch das heute noch existierende Waldtal malerisch in Richtung Schloss plätscherte. Wasserspiele, Volieren, ein unechtes Grabmal, der Tee-Pavillon eine künstliche Ruine, das geometrische Wegesystem - noch in den 1950er Jahren besaß der Schlosspark historische Details, die ihn heute in die Reiseführer brächten, wenn die Stadt sie zeitig als wertvoll erkannt und gepflegt hätte.
Form von Volkstümlichkeit
Immerhin scheint dem „Grün und Gruga“-Betrieb heutzutage klar zu sein, dass der Schlosspark mehr ist als eine x-beliebige Grünfläche. Gemeinsam mit dem Rheinischen Denkmalamt, das den größten Teil der nötigen finanziellen Mittel beisteuert, soll wieder einiges Verlorengegangene rekonstruiert werden. Im Detail dürfte da allerdings noch Überzeugungsarbeit nötig sein. Denn natürlich bedeutet etwa die Wiederherstellung von Sichtachsen auch, dass in den Baumbestand eingegriffen wird, was bei Bürgern meist nicht nur Freude hervorruft.
Und der Schlosspark soll weiter vielen Herren dienen, selbst wenn das dem eigentlichen Sinn und Zweck eines historischen Landschaftsgartens nicht förderlich ist. Gerade derzeit gastiert hinter dem Eingangstor wieder eine kleine Kirmes, und die soll - Gartenkunst hin oder her - auch nach einer Restaurierung möglich sein. Die Stadtteilpolitik legt großen Wert auf diese Form von Volkstümlichkeit, und schließlich hätten auch die Fürstäbtissinnen hier schon Feste gefeiert.
Nun, selektives Sehen hilft. Als man vergangenen Sonntag die Fahrgeschäfte hinter sich gelassen hatte, offenbarte sich die ganze Schönheit dieses Park-Kleinods mit seinen breiten Wegen, dem Teich, den alten Bäumen und den wenigen historischen Relikten. Ob es in zentraler Lage unbedingt ein großes Feuchtbiotop mit Rohrkolben braucht, sei dahin gestellt. Vielleicht lässt sich auch über solche Moden irgendwann wieder reden. Und ein kräftiges Durchforsten der Waldstücke wäre auch mal nötig, um die allzu vielen dünnen Bäumchen zu lichten und den großen, prächtigen Exemplaren Raum zu gönnen.
„Zentrale emotionale Bezugspunkte“
Je mehr man sich dem Park-Ende an der Frintroper Straße nähert, umso banaler wird‘s dann. Beachtlich hingegen der Ausläufer auf der anderen Seite der Schlossstraße, der auf den schönen Namen „Residenzaue“ hört. Eine luftige Wiesenlandschaft mit einem weiteren großen Teich in der Mitte - dieser Bereich hat gewonnen, seit die Stadt im Rahmen des Programms „Wege zum Wasser“ behutsam aufträumte.
Die Borbecker Eigenheit war einmal legendär, und einer Großstadt stehen selbstbewusste Stadtteil-Identitäten gut zu Gesicht. „Schloss und Schlosspark sind so etwas wie unsere zentralen emotionalen Bezugspunkte“, sagt der langjährige Borbeck-Aktivist Franz-Josef Gründges. Mit einem kleinen Augenzwinkern kann man sagen: Borbeck ist der einzige Essener Stadtteil, in dem das aristokratische Erbe stark präsent ist. Daraus ließe sich noch deutlich mehr machen.
Parks und Gärten in Essen
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