Essen. Als die Evag vor zehn Jahren aus Spargründen ihr Nachtnetz einführte, hagelte es Kritik: Angebotsabbau, einer Großstadt unwürdig, unfreundlich für Nacht- und Früharbeiter. Doch die Fahrgastzahlen der 16 Nachtexpress-Linien und 20 „Taxibusse“ stiegen.
Ein dunkler Stoffbeutel, bequeme T-Shirts mit „Nachtexpress“-Schriftzug auf dem Rücken oder lieber ein rabenschwarzes Baby-Lätzchen mit „Rock ‘n’ Roll“-Aufschrift? Mancher Nachtschwärmer am Hauptbahnhof hätte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn getippt, hätten ihm Mitarbeiter der Essener Verkehrs-AG Anfang 2003 zur Einführung des neuen Nachtnetzes diese Produkte aus dem – mittlerweile existierenden – Fanshop angeboten. Zu groß war die Kritik vor gut zehn Jahren, als mit dem Fahrplanwechsel die Sparbremse im nächtlichen Beförderungsangebot gezogen wurde. „Grobmaschig“ war dabei noch die netteste Umschreibung für das, was den Karnaper oder Kettwiger erwartete.
Sternfahrten ab dem Hauptbahnhof
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„Das Tagnetz ging zuvor bis spät in die Nacht“, erklärt Nenad Rosic vom Evag-Verkehrsmanagement. U-Bahnen und Trams fuhren – manchmal eben auch leer, passend zur Geisterstunde. Fahrgastzahlen wurden ermittelt und lieferten keine guten Ergebnisse. „Neben Einsparungen sollte es Verbesserungen für den Fahrgast geben“, sagt Rosic über das neue Betriebskonzept. Auch heute klingt es eher wie ein unmöglicher Spagat. Dennoch: Fuhren im Anfangsjahr noch rund 737.000 Kunden nachts, stieg die Zahl bis 2009 auf circa 1,14 Millionen Passagiere. Tendenz weiter steigend. „Eine positive Überraschung“, so lautete das Fazit. Aktuelle Erhebungen lassen allerdings auf sich warten, den weiterhin guten Zuspruch leitet man im Erzhof schlicht aus den insgesamt steigenden Fahrgastzahlen ab.
Manche Änderung kam den Essenern entgegen: Statt wie bisher an der Haltestelle „Porscheplatz“ (heute: „Rathaus“) machten sich fortan 16 Nachtexpress-Linien vom Hauptbahnhof aus auf den Weg in die Stadtteile (siehe Karte oder im Internet unter www.ne.evag.de). 14 Linien gab’s zuvor schon, hinzu kamen die „Kreislinien“ NE 14 und NE 15, die die Innenstadt nördlich oder südlich links liegen lassen. „Schätzungsweise 75 Fahrzeuge sind samstags im Nachtnetz unterwegs“, meint Rosic. Eine wichtige ist dabei die NE 14. Sie wird im Evag-Jargon auch „Krankenschwester-Linie“ genannt und hält auf ihrem Weg von Kray über Steele, Huttrop, Bergerhausen, Rüttenscheid, Holsterhausen und den Essener Westen an mehreren Kliniken. Deren Personal war es auch, das zu Beginn besonders hartnäckig seine Kritik formulierte – mit Erfolg. Unterschriften wurden gesammelt, kleine Korrekturen am Fahrplan folgten.
„Taxibusse“ auf Bestellung
Sehr gewöhnungsbedürftig war die Einführung der „Taxibus“-Linien. Diese hatten sich die Verantwortlichen ausgerechnet aus dem ländlichen Sauerland abgeschaut. Unter dem Motto „Fahren wie ein Bus, bestellen wie ein Taxi“ starteten 18 dieser Verbindungen. Gegenwärtig sind es 20. Sie sollen jene Haltestellen verbinden, die nicht von den Nachtexpress-Linien angefahren werden – nach festem Fahrplan und auf festen Strecken. Den Taxifahrer für den „nachfrageorientierten Nahverkehr“, so die Behördensprache, gibt’s aber nur auf Bestellung und er muss 30 Minuten vorher in der Leitstelle unter der Rufnummer 0201-826 49 49 angefordert werden. Ein Blick aufs Taxameter ist während der Fahrt nicht nötig: Das herkömmliche Evag-Ticket dient als Fahrschein. Wie oft so ein „Taxibus“ gerufen wird, konnte Rosic gestern nicht sagen.
Reibungslos ging das Vorhaben nicht über die Bühne: Mit Taxi Süd, Taxi Steele und Taxi Specht hat man zwar mittlerweile drei Kooperationspartner an der Hand, aber begeistert waren die Unternehmer anfangs nicht. Zu viel Aufwand für zu wenig Ertrag. Ganz anders sieht’s für die Evag aus: Sie hatte zu Beginn mit 500.000 Euro jährlich kalkuliert, die sie dafür ausgeben müsste. In Wirklichkeit waren es in den ersten Jahren zehn bis 15 Prozent dieser Summe, die an die Taxifahrer überwiesen werden musste. Tendenz unklar.