Im Westen. Wo man sich Zuhause fühlt, möchte man leben - und auch seine letzte Ruhe finden. Was selbstverständlich klingt, ist für deutsche Muslime eine schwierige Entscheidung zwischen alter und neuer Heimat. Im Ruhrgebiet ist eine muslimische Bestattung möglich - theoretisch.
Heimat - dieser emotionale Begriff birgt für viele Muslime in Deutschland eine weitere Dimension, wenn sie einen Angehörigen beerdigen müssen. Denn plötzlich stellt sich die Frage nach dem Wo: Wo bestattet man seine Mutter, die zwar in der Türkei aufgewachsen ist, aber seit Jahrzehnten in Deutschland lebt? Oder den Onkel, der den Kontakt in sein Heimatland nie verloren hat, dessen Angehörige aber alle längst in Deutschland verwurzelt sind?
Dass eine muslimische Bestattung sich gleich in mehreren Punkten von der unterscheidet, wie sie die städtischen Friedhöfe in der Regel für katholische oder evangelische Glaubensangehörige durchführen, erschwert die Entscheidung für eine Beerdigung in Deutschland. Möglichst schnell sollte der Verstorbene beerdigt und rituell gereinigt werden, bevor er bestattet wird - ohne Sarg.
Sargzwang fällt seit 2003 prinzipiell weg
Im letzten Punkt kommt das Land NRW den Muslimen seit 2003 teilweise entgegen: Das Bestattungsgesetz in der Fassung vom Juni 2003 erlaubt prinzipiell die Bestattung ohne Sarg.
Allerdings: Als Unterhalter der Friedhöfe regelt der jeweilige Friedhofsträger den Sargzwang. Das kann dann je nach Stadt unterschiedlich aussehen. In Essen gibt es seit 1972 auf dem Friedhof am Hallo die Möglichkeit für muslimische Beerdigungen - auch ohne Sarg. Auch Dortmund und Duisburg bieten Muslime eine besondere Form der Bestattung. In Düsseldorf ist die Bestattung mit Blick nach Mekka und die vorherige Totenwaschung möglich.
Wie werden die Grabfelder in den Städten genutzt?
In Essen wurde das seit den 70er-Jahren bestehende Grabfeld Mitte 2010 um ein neues erweitert - der Bedarf scheint also da. Seit der Freigabe des neuen Grabfeldes sind dort bereits über 30 Bestattungen durchgeführt worden. "Die Beerdigung allein im Leichentuch, wie es nach islamischen Regeln vorgeschrieben ist, ist aber immer noch relativ selten auf unserem Grabfeld", sagt Hans-Joachim Hüser, der als Sachgebietsleiter für die Essener Friedhöfe bei Grün und Gruga arbeitet.
Seit Juli 1999 hat auch Bochum ein islamisches Gräberfeld. Auf dem Hauptfriedhof ist dafür extra ein Bereich ausgewiesen. "Das Feld ist für 250 Grabstellen ausgelegt", erklärt Stadtsprecher Thomas Sprenger. Ein neues Feld scheint dort noch nicht nötig, die Felder sind nicht komplett belegt.
31 Bestattungen nach islamischen Ritus wurden im Jahr 2011 auf dem Grabfeld in Düsseldorf durchgeführt. Das Feld, das in einem Bereich auf dem Südfriedhof liegt, wurde 1988 eingerichtet.
Friedhöfe im Ruhrgebiet weisen Grabfelder für muslimische Bestattung aus
Eins haben alle Städte, die eine muslimische Bestattung ermöglichen, gemeinsam: Sie weisen speziell eingerichtete Grabfelder für die Beerdigung nach muslimischen Brauch aus, eigene muslimische Friedhöfe gibt es nicht. Der Grund dafür liegt in dem Körperschaftsstatus, den der Islam als Religionsgemeinschaft in Deutschland nicht hat. Nur eine Religionsgemeinschaft, die diesen Status inne hat, darf Friedhöfe betreiben.
Die Verleihung des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ist Sache der Länder. Sie dürfen diesen Status nur an Gemeinschaften verleihen, die eine bestimmte Anzahl von Mitgliedern haben.
In der Regel setzt die Verleihung des Körperschaftsstatus auch eine Bestandszeit von 30 Jahren in der Bundesrepublik voraus. Zwar darf der Islam als Religionsgemeinschaft in Deutschland in Erscheinung treten, allein als solche darf er aber keine Friedhöfe eigenständig betreiben.
Kontakt ins Heimatland ist entscheidend
Der Wunsch nach einer Beerdigung auf einem muslimischen Grabfeld hat in der Regel praktische Gründe. „Wer sich für die Bestattung in Deutschland entscheidet, tut dies meist, um die Gräber der Angehörigen in der Nähe zu haben", weiß der Essener Bestatter Mustapha El-Founti.
Sind die Kontakte in die einstigen Heimatländer erstmal abgebrochen, würde ein Grab fern des mittlerweile in Deutschland liegenden Lebensmittelpunktes keinen Sinn machen. "Wenn die Familie in Deutschland Zuhause ist, dann können sie sich auch dort um das Grab des Verstorbenen kümmern."