Huttrop.

120 neue Namen auf dem Boden der katholischen Pax-Christi-Kirche erinnern seit ein paar Tagen an Menschen, die von anderen Menschen umgebracht wurden. Ihre Geschichten sind noch sehr präsent: Tobias Götz, der 19-Jährige, der von einem Jugendlichen auf der Holsterhauser Straße getötet wurde. Arzu Özmen, die junge Kurdin, die wegen ihrer Beziehung zu einem Deutschen von ihrer Familie verschleppt und vom Bruder erschossen wurde. Berthold Lehmann, der Obdachlose, der in Frohnhausen von einem Bekannten mit Benzin übergossen und angezündet wurde. Die Toten aus Oslo und von der Ferieninsel Utoya, die einem Einzeltäter zum Opfer fielen. Die Opfer der Zwickauer Terrorzelle - sie alle sind jetzt namentlich in der kleinen Kirche an der Straße An St. Albertus Magnus verewigt.

„Es geht uns darum, dass Menschen, die anderen Menschen zum Opfer gefallen sind, nicht vergessen werden. Und darum, auf die Gewalt in der Welt aufmerksam zu machen, die es nach unserer christlichen Auffassung nicht geben darf“, sagt Martin Dautzenberg, Pastoralreferent von St. Laurentius in Steele, wozu Pax Christi seit der Auflösung als selbstständige Gemeinde 2008 gehört. Oftmals werde die Absicht der Gemeinde falsch verstanden. „Das hat nichts mit Heldenverehrung zu tun. Einziges Kriterium für die Auswahl der Namen ist, dass die Menschen nachweislich durch andere Menschen zu Tode gekommen sind“, erläutert Dautzenberg das Verfahren.

Die Steine erinnerten an Menschen aus der Nachbarschaft, an das Kind, das der Vater von der Brücke geworfen hat, aber auch an Prominente wie Sänger John Lennon, Schauspieler Walter Sedlmayr, Modeschöpfer Rudolph Moshammer. Manche Ortsbezeichnungen sprechen für sich. Stalingrad, Peking, Korea, das World Trade Center oder jetzt auch Oslo/Utoya - der Betrachter verbindet damit den gewaltsamen Tod vieler Menschen. Wessen Name verewigt wird, ist völlig unabhängig von Religionszugehörigkeit, Nationalität, sexueller Orientierung oder Lebenswandel. „Es kann sein, dass hier auch Mördern gedacht wird - wenn sie denn selbst durch die Hand eines Menschen starben“, erklärt Dautzenberg.

Die Idee zu den Steinen entstand im Zweiten Weltkrieg im Essener Westen. Der damalige Kaplan Karl Johannes Heyer leitete eine Gruppe von jungen Männern, die ihr Einberufungsschreiben erhielten. Ihnen war klar, dass womöglich nicht alle zurückkehren würden. So vereinbarte man eine Form der Erinnerung - das Schreiben der Namen auf den Boden. Diese Idee nahm Heyer mit in die neu gegründete Pax-Christi-Kirche, deren erster Pfarrer er in den 1950er Jahren wurde. Schnell war klar: Man wollte nicht nur der Kriegsopfer, der Soldaten und Toten der Bombenangriffe, gedenken, sondern aller Gewaltopfer.

Die Steine werden durch Spenden finanziert. Einmal jährlich trifft sich eine Gruppe, um Namensvorschläge zu sammeln, alle vier Jahre wird ein neues Steinfeld in einer Keramikwerkstatt in Auftrag gegeben.