Essen. . Die Solargenossenschaft Essen (SGE) schickt vier „eRikschas“ auf Essens Straßen. Die Jugendhilfe Essen fertigt die Gefährte. Der Verleih der Doppel-Flitzer mit Elektroantrieb startet in Kürze. Wenn sie fertig sind, werden sie in Rüttenscheid, Werden, Stadtwald und der nördlichen Innenstadt positioniert und sind übers Internet buchbar.

Das aktuelle Wetter passt Rolf Schwermer nicht in den Kram – „so gar nicht“, wie der Professor für Vermittlungswissen der Hochschule Hannover betont. Denn die Wolken versperren ihm die Sicht auf die Sonne. Und die hat er eben gerne im Blick. Schwermer ist Vorstand der 2010 gegründeten Solargenossenschaft Essen (SGE) und ei­ner, der in diesem Frühling und Sommer seinen Ideen freien Lauf lassen will.

Zusammen mit vier weiteren Solargenossen lässt er derzeit mehrere Rikschas bei der Jugendhilfe Essen (JHE) fertigen – nicht irgendwelche, sondern Elektro-Rikschas. „Durch die Sonnenenergie, die wir mit un­serer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach der Jugendhilfe gewinnen, können wir sie betanken.“

"Leute zu gegenseitigem Nutzen zusammenbringen"

Rund 22.000 Kilowattstunden Strom produziert die Anlage – wetterabhängig, versteht sich. Der Großteil wird in das Stromnetz eingespeist. Einen geringeren Teil nutzt die Jugendhilfe, um ih­re eBikes zu laden. Auswärtige Ökostromradler, die in Bergerhausen Halt machen, will sie bald ebenso mit sauberer Energie versorgen. Und natürlich Schwermer und Co mit ihren „eRikschas“, wie die Solargenossen die Gefährte nennen.

Sie werden im Rahmen des Projekts „AufSteiger“ unter Anleitung von Bernd Krug und Michaela Koffler durch die Jugendhilfe gefertigt. Der Konstruktionsplan zur „eRikscha“ stammt aus den Händen des Bielefelder Ingenieurs Edgar Klitsch, der die Rikschas per Hand in seiner Werkstatt zusammenschraubt. Auf Grundlage dieses Bauplans entwickelte Schwermer das Konzept „Rent-eRikscha“ – ein Elektro-Rikscha-Verleih für Essen – und hat sich dabei bewusst für die Zusammenarbeit mit der JHE entschieden: „Zum einen bin ich als Mitglied der SGE daran interessiert, die Photovoltaik-Anlage auf dem Jugendhilfe-Dach sinnvoll zu nutzen. Aber es liegt mir auch am Herzen, Leute zu gegenseitigem Nutzen zusammenzubringen. Dieser Aspekt ist durch das soziale Engagement der Jugendhilfe voll erfüllt.“

Jugendliche profitieren von Lerneffekt

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© Schwermer

Wenn die vier „eRikschas“ fertig sind, werden sie in Rüttenscheid, Werden, Stadtwald und der nördlichen Innenstadt positioniert und sind übers Internet buchbar. Ob zum Einkaufen mit den Kindern, Spaßradeln zu zweit, einer Fahrt um den Baldeneysee oder einem Ausflug mit dem Opa, der normalerweise im Rollstuhl sitzt, „alles ist möglich“, so Schwermer. Angedacht ist eine Pilotphase von einem Jahr, in der erprobt werden soll, wie die „eRikschas“ ankommen. Und wie sie im Alltag bestehen. „Bevor wir weitere Exemplare bauen, wird genau geschaut, was wir ändern müssen, damit die Rikschas möglichst wenig Wartung benötigen“, so Handwerksmeister Bernd Krug.

„Es ist spannend, dieses Projekt zu begleiten und zu sehen, wie viel Spaß die Jugendlichen an der Sache haben. Sie können bei diesem Projekt die einzelnen Entwicklungsschritte hautnah miterleben“, sagt Krug. Die Jugendlichen erweitern ihre technische Fähigkeiten im Metallbau, lernen, wie der Zukauf von Bauteilen oder das Einhalten der Abgabefristen funktionieren. „Die Sitzhalterung, Längs- und Querträger fertigen wir selbst, die Räder und die Hydraulikbremse kaufen wir dazu.“

Bei 25 km/h schaltet sich der Motor der "eRikscha" ab 

3900 Euro kostet eine „eRikscha“, finanziert werden die ersten vier Exemplare privat – von Schwermer und seinen Solargenossen. 34 Kilogramm bringt ein Gefährt auf die Waage, Tretlagermotor und Akku nicht mitgerechnet. Das zulässige Gesamtgewicht liegt bei 225 Kilogramm. Da die Rikscha nicht breiter als ein Meter ist, gilt sie laut Straßenverkehrsordnung als Fahrrad. Radelt der Fahrer schneller als 25 Kilometer pro Stunde, schaltet sich der unterstützende Motor ab.

„Die Idee ist, Ausflüge damit zu machen, gemütlich und nicht hastig“, sagt Krug. Dass Leute zusteigen können, die entweder nicht mehr selber Fahrrad fahren können oder nur unter erschwerten Bedingungen, etwa Senioren oder Menschen mit Behinderung, freut JHE-Chef Jochen Drewitz. „Das Gefährt ist Ideal für Schulausflüge, bei de­nen dann alle Kinder mitfahren können.“

Was die Leih-Rikschas kosten sollen

Pro Stunde fällt eine Leihgebühr von 12 Euro an, für Mitglieder des noch zu gründenden Fördervereins sind es 9 Euro. Pro Tag (sieben Stunden) werden 65 Euro fällig für Förderverein-Mitglieder sind’s 50 Euro. Da das Projekt noch am Anfang steht, können sich die Beträge jedoch noch verändern. Wer sich eine „eRikscha“ ausleihen will, kann sich demnächst im Internet unter www.rent-erikscha.de registrieren.

„AufSteiger“ der Jugendhilfe fertigen vier Elektro-Rikschas an

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© Jugendhilfe Essen

Unter dem Titel „AufSteiger“ werden zeitgleich bis zu zwölf junge Menschen ohne einen Ausbildungsplatz bei der Jugendhilfe Essen (JHE) praxisorientiert an Berufe im Metallbereich herangeführt. „Das Projekt richtet sich an Frauen und Männer zwischen 18 und 25 Jahren im Arbeitslosengeld-II-Bezug, die sich in schwierigen Lebenssituationen befinden und einem regulären Arbeits- oder Ausbildungsalltag nicht standhalten“, sagt JHE-Geschäftsführer Jochen Drewitz. Gesundheitliche Probleme, psychosomatische oder psychische Belastungen seien ebenso keine Ausnahme. „Oft sind’s Schulabbrecher oder sie sind schulmüde, unorientiert und instabil“, so Sozialarbeiterin Michaela Koffler. Ziel ist es, sie zu stabilisieren und dazu zu bringen, „ei­nen neuen Anfang zu wagen, in der Schule, der Ausbildung oder dem Beruf“.

Derzeit werden zehn junge Leute über „AufSteiger“ qualifiziert. Unter Anleitung erfahrener Handwerksmeister fertigen sie in den Hallen der JHE an der Schürmannstraße vier Elektro-Rikschas an, die künftig im Essener Stadtgebiet ausgeliehen werden können. „Es ist schon eine sehr aunspruchsvolle Aufgabe, schließlich stellen wir nicht alle Tage ein Fahrrad her und erst recht keine Rikscha mit einem Elektroantrieb“, sagt Tobias Marquering. Der 23-jährige Katernberger ist seit vergangenem November bei „AufSteiger“ und hofft, rasch einen Ausbildungsplatz zu finden. „Wir sind auf einem guten Weg“, meint Bernd Krug, Industriemeister Metall. Und macht seinem Schützling in der Werkstatt Mut, weiter an sich und seinen Fähigkeiten zu arbeiten.