Essen. . Die direkte Art mag und pflegt er. Als Vorsitzender der Essener Wirtschaftsstrafkammer und als Pressesprecher des Landgerichtes stand Wolfgang Schmidt viele Jahre im Blickpunkt. Jetzt geht er.
Wirtschaftsprozesse, Steuerstrafverfahren: Das klingt nach unendlichen Zahlenkolonnen, nach staubigen Akten voller emotionsarmer Fakten. Das ist seit 2005 die Welt von Wolfgang Schmidt, dem Vorsitzenden der XXI. Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht Essen, der die Justizbehörde als Pressesprecher auch nach außen vertrat. Doch von tristen Zahlen will er nicht reden: „Mir haben die Wirtschaftsverfahren immer Spaß gemacht.“ Jetzt geht er, wechselt zum 1. April zur Staatskanzlei in Düsseldorf.
Ein Karrieresprung? Möglich. Zunächst ist der 51-Jährige für zwei Jahre abgeordnet, kümmert sich dort um die Untersuchungsausschüsse für die West LB und die landeseigenen Bau- und Liegenschaftsbetriebe. Was danach kommt? Abwarten.
Seit 2005 leitete er die Wirtschaftsstrafkammer. Gleich mit einem seiner ersten Verfahren, dem „Gammelfleischskandal“, stand er im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Es kamen weitere spektakuläre Fälle hinzu: Die Gefängnisstrafe für einen angesehenen Essener Anwalt und Notar, der eine alte Frau um ihre Ersparnisse betrogen hatte; das Verfahren gegen Schalke-Chef Clemens Tönnies wegen Falschetikettierung von Hackfleisch, das mit Geldbußen in Millionenhöhe endete. Und vor allem der Prozess gegen den ehemaligen Chefchirurgen Christoph Broelsch, der Patienten um „Spenden“ für bevorzugte Behandlung angegangen war und Steuern hinterzogen hatte. Für drei Jahre schickte Schmidts Kammer den Herrn Professor in die Haftanstalt.
Urteil von Emotionen trennen
Immer verhandelte Schmidt die Fälle in seiner ruhigen, sachlichen Art. „Man muss sein Urteil ja von Emotionen trennen“, betont er. Gerade im Broelsch-Verfahren hatte sich die Kammer sensibel den Zeugen nähern müssen, die ihre Angehörigen trotz der Operationen verloren hatten. Sie wollten mit diesem Kapitel abschließen, doch das Gericht musste sie hören, um die Art der „Spenden-Forderung“ des Professors zu rekonstruieren.
Anwälte betonen, dass sie bei Schmidt immer wussten, woran sie waren, dass er für direkte Worte bekannt war. Aufgewachsen ist er im Essener Norden, den er immer noch gut findet, obwohl er heute in einem der südlichen Stadtteile lebt. Die direkte Art im Norden liege ihm, sagt er. Als er mal mit seiner Familie in ein Altenessener Haus zog, war sein ihm bis dahin unbekannter Nachbar Willi gerade dabei, die Fassade mit Hochdruck zu reinigen. Unkonventionell begrüßte dieser ihn: „Hör’ mal, wenn du deine scheiß Karre nicht wegfährst, ist die gleich vollgesaut.“ Schmidt lacht: „Da weiß man sofort, was los ist.“
Den Beweis, dass auch Wirtschaftsjuristen und -ermittler die direkte Art kennen und lieben, bezeugen Präsente der Steuerfahnder, die Wolfgang Schmidt zum Abschied bekam. Ein kleiner Lkw mit dem Aufdruck: „Für Sie ist uns kein Weg zu weit. Ihre Steuerfahndung.“ Oder ein Kugelschreiber: „Wir machen auch Hausbesuche. Ihre Steuerfahndung.“
Entscheidungen anderer Gerichte erklären
Der Humor eines Gerichtes kennt auch Grenzen. Das weiß Schmidt, wenn er als Pressesprecher Urteile seiner Kollegen in der Öffentlichkeit erklären muss. Gerade Entscheidungen gegen Sexualstraftäter werden erregt diskutiert. Dann erklärt der Pressesprecher, warum die Kammer dem Angeklagten noch einmal eine Chance der Resozialisierung geben will, warum die Beweise für ein härteres Urteil nicht ausreichten. Zum Großteil steht er hinter den Entscheidungen seiner Kollegen. Falls nicht, erfährt die Öffentlichkeit es nicht: „Unsere Aufgabe ist es, über die Medien zu erklären, warum die Kammer so entschieden hat. Das kommentieren wir aber nicht.“
Der Familienvater, der eigentlich Bauingenieur werden wollte, geriet eher zufällig ans Jurastudium. Bewusst entschied er sich später für den Richterberuf, an dem er die Unabhängigkeit schätzt. Und die Chance, ein möglichst gerechtes Urteil zu fällen. Den Richterberuf gibt er nicht auf, betont er, dass er nur für eine bestimmte Zeit nach Düsseldorf geht. Er wechselt, „weil ich mal wieder was anderes machen will“. Unterschiedliche Sachen hätten ihn schon immer interessiert: „Das war schon im Studium so. Da habe ich als Taxifahrer gearbeitet und im Jugendkulturzentrum Zeche Carl.“