Essen.

Des einen Traumjob, des anderen Albtraum: Jessica Röttges will Kinder betreuen. Manche Vermieter fürchten jedoch Lärm, Dreck und Belästigung anderer Mieter. Drei Kinder soll Jessica Röttges als Tagesmutter betreuen, deren Eltern haben sich längst für die 23-Jährige entschieden. Doch bislang findet sie keine Wohnung, in der sie leben und an fünf Tagen in der Woche die Kinder aufnehmen könnte.

„Die meisten Vermieter schrecken am Telefon zurück, wenn sie Kinderbetreuung hören“, berichtet sie von ihrer monatelangen Suche bei privaten Vermietern und Wohnungsunternehmen. Jessica Röttges ist seit vier Jahren Nanny in einem Bredeneyer Privathaushalt, war zuvor Au Pair in den USA, hat einen Studiengang Kindererziehung und -entwicklung belegt, berichtet sie.

„Die Tagespflege genießt Anerkennung“

500 Tageseltern arbeiten bereits in Essen. „Wir haben Interesse an einem guten Angebot. Eltern sollen zwischen Kita und Tagespflege wählen können“, sagt Jürgen Schroer vom Jugendamt. Zumal ab August auch Kinder unter drei Jahren einen Rechtsanspruch auf eine Betreuung haben.

„Als Stadt können wir keine Räume besorgen“, sagt Schroer, „aber wir werben bei Wohnungsfirmen“. Er betont: „Die Tagespflege ist weder eine billige Lösung, noch Notstopfen, sondern genießt Anerkennung.“ Vielleicht überzeugt Vermieter auch die Tatsache, dass da jemand einzieht, auf den das Jugendamt als Aufsicht der Tageseltern eine Auge hat.

Heftige Reaktionen der Vermieter 

Jessica Röttges hat in der Zeitung inseriert, Zettel in Supermärkten ausgehängt, ein Makler sagte ab („Sie finden eh nichts“). 30 Wohnungen haben sie und ihr Freund besichtigt. Drei Zimmer sollen es sein, ein viertes als Schlafraum für die Kinder wäre nett. Nicht weniger als 70-80 qm in Rüttenscheid, Haarzopf, Stadtwald oder Bredeney, weil da die Eltern der Kinder herkommen.

Im Erdgeschoss und mit Garten, in dem die Kinder spielen können. Ihre Wohnungs-Wünsche stellen kein Problem dar, sagt sie, die heftigen Reaktionen der Vermieter schon. „Die meisten verbinden mit Kindern nur Lärm, haben Angst um ihr Parkett oder den Rasen“. Viele fürchten Stress mit Nachbarn wegen der abholenden Eltern. Andere beschimpften sie heftig: „Kinder? Hier aber nicht“.

Tagesmütter werden dringend gesucht

Als sich dann ein nettes Ehepaar, selbst mit zwei Kindern, für kinderlose Mieter entschied, da war für die 23-Jährige der Punkt gekommen, an dem sie sich fragte: „Wenn die kein Verständnis haben, wer dann?“ Dabei werden Tagesmütter dringend gesucht, sagt sie und versucht immer wieder, ihre Arbeit so gut wie möglich zu erklären, dass die Kinder spätestens um 17 Uhr aus dem Haus sind, am Wochenende erst gar nicht kommen.

Sie berichtet von ihrer Tagesstruktur, ihrem bilingualem Angebot, zu dem Lesen und Singen, in der Mittagszeit Schlafen gehören soll. Jessica Röttges ist inzwischen aber besorgt, dass ihr wegen der langen Wartezeit die Eltern stiften gehen: „Dann stehe ich irgendwann mit Wohnung, aber ohne Kinder da.“

Haus und Nachbarn müssen zur Tagesbetreuung passen

Eine Mietwohnung zu finden, in der Tageskinder willkommen sind, stuft Maklerin Evelin Reinhart als schwierig ein. Da würden viele Vermieter Lärm, Getrampel oder Dreck im Flur fürchten, was auch andere Mieter stören könnte: „Die Eigentümer reagieren daher eher zurückhaltend“. Wenngleich das Thema für Makler ein großes sei, mit dem sie inzwischen konfrontiert werden, sagt Josef Bositsch, der sich optimistischer gibt. Ebenso Werner Weskamp von Haus und Grund: „Es hängt davon ab, ob die Tätigkeit als Tagesmutter zum Objekt und zu den Bewohnern passt.“ Die Rechtsprechung sei zwar großzügig, aber man müsse abwägen, ob sich Bewohner beeinträchtigt fühlen könnten, sagt Weskamp, der es als gesellschaftliche Aufgabe sieht, diese Arbeit zu unterstützen. Allerdings sei die Gesellschaft heute auch keine Großfamilien mehr gewohnt.

Was zudem Mangelware ist, sind große Wohnungen, sagt Siw Mammitzsch von der Mietergemeinschaft: „Ab vier Zimmern wird es richtig kompliziert, egal, in welchem Stadtteil.“ Hoffnung hingegen macht ein Wohnungsunternehmen: „Der Vermietung an Tagesmütter steht die Deutsche Annington offen gegenüber. Sofern eine Wohnung die Voraussetzungen hierfür erfüllt und nach Besichtigung zusagt, kann eine entsprechende Anmietung erfolgen.“