Essen. Sie handelte in einer Notsituation falsch - und verlor dadurch ihren Job: Tagesmutter Petra Wensing aus Essen eilte zu ihrer verletzten Tochter und gab sechs Kinder in die Obhut ihrer Mutter. Die Quittung: Die Stadt entzog ihr die Pflegeerlaubnis. Die Frau beantragte Hartz IV - und wehrt sich.
Erst trat ein Pferd ihre Tochter, dann traf Petra Wensing der Schlag: Weil die Tagesmutter aus Essen in einer Notsituation falsch handelte, entzog die Stadt ihr die Pflegeerlaubnis.
Ihre Tagespflegestelle „Abuki“, in der auf der Margarethenhöhe sechs Kinder betreut wurden, ist inzwischen geschlossen. Petra Wensing hat Hartz IV beantragt und die Stadt vor dem Verwaltungsgericht verklagt. Der Ausgang ist offen, sagt ihr Anwalt. Die Stadt will sich mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht zu dem Vorgang äußern.
Ein auskeilender Hengst
Petra Wensing weiß, dass sie einen Fehler gemacht hat, kurz nachdem das Unglück am 29. November seinen Lauf nahm: Ein auskeilender Hengst trifft ihre 18-jährige Tochter fern der Heimat so heftig, dass die junge Frau mit einem Schädel-Hirn-Trauma in ein Bielefelder Krankenhaus eingeliefert wird.
Ihre Mutter eilt in den Nordosten des Landes, um nach der Schwerverletzten zu sehen und überlässt an diesem Tag „nach Absprache mit fünf Eltern“ die ihr anvertrauten Kinder im „Abuki“ ihrem Sohn und ihrer Mutter. Die besitzt zwar eine Qualifikation zur Betreuung, aber keine offizielle Pflegeerlaubnis. Einen ebenso notwendigen „Erste Hilfe Kurs“ will sie ebenfalls durchlaufen haben. Eine Bescheinigung darüber aber fehlt im Nachhinein. Das sind einige Ansätze zur Kritik.
Die Kosten laufen weiter
Wer sich beim Jugendamt schließlich über ihre Abwesenheit beschwerte, weiß Petra Wensing nicht. Vielleicht die Eltern des sechsten Kindes? Die Behörde jedenfalls muss handeln und tut es mit bemerkenswerter Konsequenz. Zwei Wochen später ist die im Oktober 2010 eröffnete Einrichtung am Nachtigallental Geschichte, die Kinder müssen andernorts untergebracht werden.
Doch die Kosten laufen weiter, sagt Petra Wensing: 1500 Euro bezahle sie nun Monat für Monat weiter für Miete und Nebenkosten in der Hoffnung, dass der Rechtsstreit zu ihren Gunsten ausgehe. Es ist eine Zitterpartie und die Nerven der Tagesmutter liegen blank: „Was hätte ich denn machen sollen? Eine Vertretung hätte ich doch nicht bekommen.“
Der Tropfen auf den heißen Stein
In ihrer Not hat sich Petra Wensing bereits an den Oberbürgermeister und die örtliche Politik gewandt, die das Jugendamt inzwischen gebeten hat, den Sachverhalt doch bitteschön mal darzulegen. Und ob man denn wirklich keinen Ermessensspielraum in der Sache gesehen hätte, um sechs Kindern den Wechsel in eine andere Betreuung und der Kommune eine Hartz IV-Empfängerin mehr zu ersparen.
Am Donnerstag fand ein Erörterungsgespräch statt, das wenig an der verfahrenen Situation änderte. Vielmehr sollen weitere Vorwürfe gegen Petra Wensing auf den Tisch gekommen sein.
Der überraschende Aufbruch nach Bielefeld sei allenfalls der berühmte Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe, ist zu hören. In Zeiten, in denen sich die Stadt auf jede Tagesmutter angewiesen fühlt, sei der Entzug einer Pflegeerlaubnis bislang in nur einem weiteren Fall vorgekommen und mithin das letzte Mittel. Eben.