Essen-Rüttenscheid. . Jeannine Mans machte sich im vergangenen Jahr mit „Schritt für Schritt“ an der Annastraße selbstständig. Nun wartet sie auf das Geld vom Jugendamt - und weiß im Moment nicht einmal, wie sie ihre eigene Miete bezahlen soll.
„Tagesmutter zu werden ist komplizierter, als eine Aktiengesellschaft zu gründen“, sagt Bettina Paschedag und seufzt. Die Unternehmensberaterin hilft vor allem Tageseltern beim Schritt in die Selbstständigkeit, unterstützt aktuell im Rahmen eines geförderten Gründercoachings auch die Kindertagespflege „Schritt für Schritt“, die im Dezember an der Annastraße eröffnete.
Für Jeannine Mans ging mit den Räumen auf dem Hinterhof ein Traum in Erfüllung, schaffte sie so schließlich den Weg aus der Arbeitslosig- in die Selbstständigkeit. Vor zwei Jahren hatte die 36-Jährige an einer Qualifizierungsmaßnahme des Jobcenters teilgenommen, hielt danach Ausschau nach geeigneten Räumlichkeiten. Schon im Juni 2012 mietete sie gemeinsam mit ihrer Kollegin Rukiye Pul die rund 130 Quadratmeter an. Bis es Nutzungsänderungsantrag, Brandschutz und vor allem die Pflegeerlaubnis durch die Mühlen von Jugend- bis Bauamt geschafft hatten, vergingen sechs Monate. Anfang Dezember konnte „Schritt für Schritt“ endlich eröffnen. Fünf Kinder werden dort aktuell von 7.30 bis 16 Uhr betreut.
„Ich weiß im Moment nicht, wie ich meine eigene Miete bezahlen soll“
Die bürokratischen Hürden aber bereiten Mans noch immer schlaflose Nächte. „Wir warten seit vier Monaten auf das Geld vom Jugendamt und wissen nicht, wie wir die laufenden Kosten zahlen sollen“, klagt sie. Dabei seien die Anträge durch die Awo, dem in diesem Fall zuständigen Fachverband, alle ordnungsgemäß eingereicht worden. „Allein für die Zwillinge, die wir hier betreuen, stehen noch 2800 Euro aus“, sagt Mans. Sie ist selbst allein erziehende Mutter einer sechsjährigen Tochter. Durch die Selbstständigkeit erhalte sie keine Bezüge mehr vom Jobcenter. „Ich weiß im Moment nicht, wie ich meine eigene Miete bezahlen soll“, sagt Mans und ergänzt: „Was mich kämpfen lässt, sind die Kinder, die wir hier betreuen dürfen.“
Für die Expertin Paschedag ist die Geschichte der 36-Jährigen kein Einzelfall: „Ich betreue Fälle vom Niederrhein bis ins Ruhrgebiet. Jede Kommune hat andere Fördersätze und andere Regelungen, für manche Anträge bräuchte man eigentlich ein BWL-Studium. Ich verstehe nicht, warum es vielen qualifizierten Tageseltern angesichts des nahenden Rechtsanspruchs am 1. August nicht einfacher gemacht wird“, so Paschedag.
Für die Awo ist der Fall der Kita „Schritt für Schritt“, ein Einzelschicksal, bei dem mehrere ungünstige Faktoren zusammengekommen seien. Michaela Engelbert, Teamleiterin der Fachstelle Kindertagespflege: „Normalerweise zahlt die Stadt Essen den Tageseltern immer pünktlich das Geld aus. Hier haben sich einige Anträge aber individuell verzögert, etwa, weil noch Unterschriften von Eltern fehlten. Zudem gab es einen Betreuungswechsel, der das Procedere einmal mehr verlängert hat. Wir sind aber auf einem guten Weg, das Problem gemeinsam zu lösen.“
„Mit aller Sorgfalt prüfen“
Nach Angaben von Ulrich Engelen, stellvertretender Leiter des Jugendamtes, benötigt vor allem die Neugründung von Kindertagespflegeverbünden Zeit: „Schließlich müssen wir uns auf allen Seiten absichern, um die Seriosität der Einrichtungen gewährleisten“, so Engelen. Im Fall von „Schritt vor Schritt“ sei ihm nur ein Antrag bekannt, der aufgrund weitergehender Nachfragen verspätet hätte bearbeitet werden können. „Das Geld ist vier bis fünf Wochen später angewiesen worden“, so Engelen. Weitere Verzögerungen seien ihm nicht bekannt.
Das kann aber auch an der weit verzweigten Zuständigkeit innerhalb des Jugendamtes liegen kann. Für jedes Kind, das in der Tagespflege betreut wird, ist ein Sachbearbeiter zuständig. Angesichts des Ausbaus der U3-Betreuung gebe es Überlegungen, die Zuständigkeiten stärker zu bündeln. Dennoch sei es falsch, von bürokratischen Hemmnissen zu sprechen. Engelen: „Es geht hier um Kinderbetreuung, das muss immer mit aller Sorgfalt geprüft werden.“