Essen. . Mit seinem jüngst eröffneten „Elternhaus“ will der Sozialdienst katholischer Frauen junge Familien mit sozialen Problemen erreichen. Sie lernen dort, wie sie ihr Kind erziehen und ihr Leben in den Griff bekommen.

Cindy ist 13 Jahre alt, kommt aus dem Essener Norden und einer Familie, die nicht gerade auf der Sonnenseite des Lebens steht. Ihr Vater ist arbeitslos, ihre Mutter hat nie eine Ausbildung gemacht. Ihre drei Geschwister bringen nur mäßig gute Schulnoten nach Hause. Und Cindy, die eigentlich noch ein Kind ist, hat jüngst selbst ein Baby zur Welt gebracht, um das sie sich nun ganz allein kümmern muss, denn der Kindesvater will nichts davon wissen. Ih­re Familie ist der jungen Mutter ebenfalls keine große Hilfe. Mit ihrer Si­tuati­on ist Cindy völlig überfordert, sie benötigt dringend Hilfe.

Die Geschichte ist fiktiv, doch sie steht für manchen Lebenslauf, den die Mitarbeiter des SKF, des „Sozialdienst katholischer Frauen Essen-Mitte“, aus dem Alltag kennen – etwa aus ihrer Eltern-Kind-Wohneinrichtung „Teen & Baby“. Nun hat der Verein eine weiteres Haus eröffnet, in dem junge Eltern mit sozialen Problemen früh erreicht werden sollen, damit ihre Kinder gut aufwachsen und in ihrer Entwicklung gefördert werden können. „Es ist fast so wie das sprichwörtliche ,Eulen nach At­hen tragen’, wenn immer wieder festgestellt wird, dass Hilfen für Kinder und Familien möglichst früh ansetzen müssen“, betont die Vereinsvorsitzende Heike Adrian. Das Konzept im neuen „Elternhaus“, das im Kolpinghaus an der Steeler Straße 36 unterkommt, unterscheidet sich jedoch vom bisherigen. Die neue Tageseinrichtung, in der täglich bis zu acht Eltern betreut werden können, ist einzigartig in der Region.

Videoanalyse nach Marte Meo

Das „Elternhaus“ fußt auf den Erfahrungen, die der SKF bei „Teen & Baby“ sammeln konnte, die Idee entstand aber auch „durch Vernetzung und viele Gespräche mit anderen Diensten“, betont Björn Enno Hermans, Geschäftsführer beim SKF. Im Grunde nehme das Angebot drei Gruppen von Personen im Alter von bis zu 27 Jahren in den Blick: solche, bei denen ein ambulante Betreuung nicht ausreicht, außerdem die, bei de­nen vermieden werden kann, sie im Heim unterzubringen, und jene, die eine Nachbetreuung – etwa nach einem Aufenthalt bei „Teen & Baby“ – erhalten sollen.

In der neuen teilstationären Einrichtung nehmen Leiterin Ina Heiermeier und ihre Kollegen die jungen Eltern tagsüber an die Hand. Geöffnet ist ab 8.30 Uhr – montags, dienstags und donnerstags bis 16 Uhr, mittwochs bis 18 Uhr und freitags bis 14 Uhr. Die Mitarbeiter gehen mit ihnen einkaufen und zeigen, was für eine gesunde Ernährung wichtig ist und was besser nicht in den Einkaufswagen kommt. Die jungen Eltern kochen gemeinsam in der Gruppe und lernen, mit dem Nachwuchs richtig umzugehen. Ihnen Kompetenzen für den Alltag mit ihrem Kind und das Leben in einer eigener Wohnung zu vermitteln, sei das Ziel.

Um es zu erreichen, nutzt das „Elternhaus“ unter anderem die „Marte-Meo-Therapie“. Mit einer Kamera wird aufgenommen, wie Eltern sich in verschiedenen Situati­onen ihrem Kind gegenüber verhalten. Danach wird zusammen mit ihnen besprochen, was gut geklappt hat und was noch verbessert werden kann.

Kinderwunsch spiegelt Sehnsucht nach Liebe wieder 

Warum Einrichtungen wie diese in der heutigen Zeit immer wichtiger werden, weiß die zweite Vorsitzende des SKF, Jutta Eckenbach: „Leider zeigt die Entwicklung, dass es einen Wandel in der Gesellschaft gibt und immer mehr junge Eltern und Alleinerziehende riesige Probleme damit haben, in ihrer Umgebung klar zu kommen.“ Die Fälle würden zunehmend komplexer und schwieriger. „Eine Jugendhilfe-Maßnahme reicht oft leider nicht mehr aus, wir müssen dann auf die ganze Palette der Angebote in der Stadt zurückgreifen“, sagt Eckenbach.

Björn Enno Hermans beklagt zudem, dass viele Jugendliche – vor allem aus dem Norden der Stadt – das notwendige Handwerkszeug für die Erziehung ihrer Kinder nicht mehr mitbekämen: „Weil es dort nicht vorhanden ist.“ Meist seien es junge Eltern, die lange Erziehungshilfekarrieren hinter sich haben, die in die SKF-Einrichtungen kommen – zum Beispiel, wenn sie aus der stationären Heimerziehung kommen. „Ein Kind ist bei ihnen nicht immer ein Unfall. Oft sind mit ihm Wünsche verbunden – endlich etwas Eigenes zu haben, ein Abbild von sich selbst und dem Gegenüber, das immer für sie da ist und ihnen Liebe gibt.“ Dass es eigentlich umgekehrt laufen muss, die Eltern für ihre Kinder da sind, versteht sich von selbst. Das will der SKF ihnen vermitteln.

Sozialdienst katholischer Frauen

Der „Sozialdienst katholischer Frauen Essen-Mitte“ (SKF) ist ein Zu­sam­men­schluss von Frau­en und Fach­kräf­ten im deutschen Ca­ri­tas­ver­band, des­sen Auf­ga­ben­fel­der die „Ju­gend- und Ge­fähr­de­ten­hil­fe“, sowie das Fördern von Kin­dern, Ju­gend­li­chen, Frau­en und Fa­mi­li­en in Not sind. Bundesweit ist der Essener Verein eine der größ­ten Orts­grup­pen im SKF.

Die Hilfs­an­ge­bo­te ste­hen ganz im Diens­te der Schutz­be­foh­le­nen, die län­ger­fris­tig von so­zia­ler Not be­trof­fen und deren Leben und Ent­wick­lung nach­hal­tig be­ein­träch­tigt sind. Ziel und Aufgabe des Teams von mehr als 250 So­zi­al­ar­bei­tern und -päd­ago­gen sowie Er­zie­he­rn ist es, Kin­der, Frau­en und Fa­mi­li­en stark zu ma­chen.

Mehr Infos über den Verein gibt es unter 27 50 80 sowie im In­ternet auf www.skf-essen.de.