Essen. Die Folkwang-Uni ist deutschlandweit die einzige staatliche Ausbildungsstätte für Physical Theatre. Selbstständigkeit und Kondition sind Studien-Voraussetzung.

Zeit ist Geld, heißt es ja. Aber ob die vierjährige Ausbildung an der Folkwang Universität der Künste Kristin Scheinhütte am Ende nähren wird, weiß die 23-Jährige heute noch nicht. Deutschlands Theaterlandschaft ist zwar immer noch einzigartig reich, aber doch auf striktem Sparkurs. Weil Kulturetats schrumpfen, Ensembles kleiner werden und nicht wenige der jährlich etwa 200 Absolventen von staatlichen Schauspielschulen ihr erstes Vorsprechen beim Arbeitsamt haben, muss sich Ausbildung ändern, heißt es an der Folkwang-Uni, wo man Studenten mit dem Ausbildungsgang „Physical Theatre“ gleich mehre Berufswege offen halten will: in die freie Szene, in die etablierten Stadttheater oder auf den nicht minder hart umkämpften Markt der Selbstständigkeit.

Kristin Scheinhütte kann sich derzeit alles vorstellen. Aber die Zeit läuft. „Klackklackklack“ macht sie auf der Bühne, wenn die 23-Jährige die Metronome anschmeißt, gegen die Stoppuhr läuft. Zeit ist für sie ein wichtiges Thema, und deshalb hat sie ihre Abschlussarbeit unter das Thema „time/live/waste“ gestellt. Kein erbaulicher Schiller, kein Shakespeare also, sondern eine körperliche, kraftvolle und für alle Akteure buchstäblich atemberaubende 45-Minuten-Performance sind Teil der praktischen Prüfung. Das „Was ihr wollt“ ist in diesem Studiengang eben weniger ein freundliches Angebot, sondern eine konkrete Aufforderung: Hier sollen junge Theatermacher vor allem an der eigenen Autorenschaft arbeiten, Selbstständigkeit lernen, auch beim Organisieren und Managen, sollen Themen aufspüren, entwickeln und selbstständig in Spielform bringen.

Von Improvisation bis Performance

Das vierjährige Folkwang-Studium hat sie dafür gerüstet: Das Programm reicht von der Improvisation über Akrobatik bis zur Performance. Regieübungen, Modern Clowning und Bewegungstrainings vom Fechten bis zur Alexandertechnik sind weitere feste Bestandteile der Ausbildung. „Wir suchen Leute, die Lust haben, sich über den Körper auszudrücken“, sagt Professor Thomas Stich, der den Studiengang seit 2005 leitet.

Etwa 70 Bewerber kommen derzeit auf die vier Studienplätze pro Jahrgang. Eine noch bescheidene Zahl, nimmt man die 700, 800 Anwärter, die sich um ein klassisches Schauspiel-Studium rangeln. „Leute, die sich auf diesen Studiengang bewerben, die haben was anderes vor“, sagt Stich, der schon beim Vorsprechen entscheidende Charakterzüge ausmacht: „Eigenwilligkeit und Durchsetzungsvermögen“. Am noch immer hierarchische Stadttheater seien die Absolventen trotzdem beliebt. Auch wegen ihrer Selbstständigkeit.