Essen. . Ihre Kunst im öffentlichen Raum behandelt die Stadt Essen weiter stiefmütterlich – trotz eines vermeintlichen Konzepts. Mangels finanzieller und personeller Möglichkeiten der klammen Stadtkasse ist bisher aber wenig passiert. Die Zahl der Kunstwerke kann man nach wie vor nur schätzen.
Alfred Krupp fände es wohl nicht sehr amüsant, was er dieser Tage an der Statue lesen müsste, die die Stadt Essen ihm zu Ehren zwei Jahre nach seinem Tod am 14. Juli 1889 vor der Marktkirche enthüllte: „Nazis verpisst Euch, gez. Antifa“, haben unbekannte Schmierfinken weithin sichtbar auf dem Sockel des Konterfeis hinterlassen. Dass der dargestellte Krupp vor besagter Nazi-Zeit lebte? Geschenkt! Dass Kunst im öffentlichen Raum nur schwer vor Vandalismus zu schützen ist? Bekannt! Dass es in nächster Nähe zum Rathaus niemandem auffällt?
Gute Frage, wenn man bedenkt, dass das Denkmal bewusst an so prominenter Stelle steht. Und zwar gegenüber der Fläche, wo sich früher das Rathaus befand, und wo mit Hinwirken der Krupp-Stiftung die Skulptur 2006 auch wieder aufgestellt wurde. Seit 1945 hatte es verschiedene Aufstell-Orte gegeben.
Vor gut einem Jahr plauderte man im Kulturausschuss über eine „Neuausrichtung der Aufgabenwahrnehmung“ und nahm die sechs Seiten zu Kenntnis, die der zuständige Beigeordnete Andreas Bomheuer als künftiges „Aufgabenprofil“ aufgetischt hatte. Mehr als ein Jahr hatte er für die Erstellung dieses Konzeptes gebraucht, das das Viererbündnis 2011 angefordert hatte.
Kataster ist in Arbeit
Mangels finanzieller und personeller Möglichkeiten der klammen Stadtkasse ist bisher aber wenig passiert. Mitarbeiterin Sabine Peretzke, die an der Uni Duisburg-Essen den Master in Kunstwissenschaft erlangt hat, kümmert sich seither zehn Stunden pro Woche darum, ein Kataster über die Kunst im öffentlichen Raum zu erstellen.
Eigentlich ist die engagierte Überruhrerin im Bauordnungsamt tätig und kümmert sich dort an vier Tagen in der Woche um Baugenehmigungen. Auf rund 500 Werke schätzt sie den städtischen Fundus, der bisher in einer losen Karteikartensammlung im Museum Folkwang registriert war. Vieles konzentriert sich in der Innenstadt, ebenso ist vieles auf Schulgeländen aufgestellt.
Was der aktuelle Fall an der Marktkirche wieder zeigt, ist jedoch die eigentliche Problematik: Das im Aufgabenprofil aufgeführte Monitoring, also Überwachen, findet bisher kaum bis gar nicht statt. Zeitnahes Restaurieren ebenso wenig. Wie lange die Schmierereien den Sockel bereits zieren, kann unsere Redaktion nicht sagen. Am 13. Februar fiel es erstmals auf, geändert hat sich am Zustand bisher nichts. Auf Anfrage vom 27. Februar geht Stadtsprecherin Nicole Mause darauf erst gar nicht ein: „Die Stadt tut ihr Möglichstes, um Verschmutzungen frühzeitig zu erkennen und zeitnah zu entfernen.“
Imprägnieren oder umstellen?
Auch die Frage nach einer möglichen Umstellung der Skulptur umschifft man gekonnt. Es gebe Überlegungen, wie Schmierereien künftig vermieden werden können, etwa durch eine Imprägnierung. „Ein endgültiges Ergebnis steht jedoch noch nicht fest“, so Mause. Auch sonst sind Antworten zum im Februar 2012 vorgestellten Konzept eher spärlich gesät.
Ob es greift? Die Frage wird übergangen, stattdessen: Der Aufgabenumfang und der zu leistende Zeitaufwand, den das Aufgabenprofil vorsieht, beschreibe laut Stadtsprecherin den Idealzustand, den man trotz angespannter Haushaltslage anstrebe. Dass es eben nicht damit getan ist, sich von Sponsoren Reinigungen bezahlen zu lassen (siehe Spitzer-Spirale, Stadtgarten-Kunst) und dann erstmal für eine Zeit wieder nicht nach dem Rechten zu sehen, scheint bei Stiefmutter Stadt noch nicht angekommen zu sein.
Empfohlen sei jedenfalls der Blick auf die Rückseite des Sockels der Alfred-Krupp-Statue: „Die dankbare Vaterstadt“ prangt dort in großen Lettern. Für Passanten ist dies kaum sichtbar. Gott sei Dank, möchte man meinen.