Essen. . Wie lebt es sich als Schauspieler, Musiker oder Fotografin? Studenten der Folkwang-Hochschule in Essen verraten, wie man es auf die Bretter, die die Welt bedeuten schaffen kann. Und das hat manchmal auch einen Hauch von Dschungelcamp.

Kann man so etwas lernen? Dass Frechheit siegt, zumal wenn sie von einer lila-blau gekleideten, 27-Jährigen mit breitem Lächeln kommt? So wie Sara Hoffmann das an diesem Abend einfach mal vormacht, in dem sie das Wort an sich reißt und eine Einführungsrede zur Ausstellung hält, die zwar kompletter Nonsens ist, aber mit den Vokabeln des Kunstgenres jongliert, dass es nur funkelt und blitzt, wie ihre Augen?

Vermutlich nicht. Wer Künstler werden will, Schauspieler, Violinenvirtuose oder Fotograf, der muss schon jede Menge mitbringen, um es überhaupt an eine der Kunsthochschulen des Landes zu schaffen. Dass, was Peter Lütkemeyer, Dozent für Technik der Fotografie, an diesem Abend „die eigenen Handschrift“ nennt, den eigenen Blick. Denn Sara Hoffmann ist eigentlich Fotografin und nicht Enfant terrible.

Es klingt ein wenig nach Dschungelcamp

In diesem Semester allerdings hat sie an der Folkwang-Hochschule bei Barbara Hofmann-Johnson das Seminar „Aspekte und Möglichkeiten kuratorischer Praxis“ besucht. Und hinter dem sperrigen Titel steckt eigentlich das, was an diesem Abend in der „Galerie 52“ in einem ehemaligen Verwaltungsgebäude in der Essener City passiert: Man muss nicht nur fotografieren können, man muss seine Kunst am Ende auch präsentieren.

Was nützt das beste Bild, wenn am Ende keine Blicke drauf fallen? Zumal nach dem Examen niemand auf einen wartet, auf dem Weg nach „New York, dann zum Mars – oder zu Saturn“, wie Sara Hoffmann ihren ungefähren Kurs beschreibt.

Die Wege von und zur Kunsthochschule sind so unterschiedlich wie die Künste: Da ist zum Beispiel Peter Mayer, 27. aus gutem Hause. Die Eltern sind Ärzte, der ältere Bruder nimmt Geigenunterricht und der jüngere sich ein Beispiel. „Schon mit drei Jahren habe ich zur Geige gegriffen“, sagt er. Und ließ sie nicht mehr los. Dass im heimatlichen Haldern am Niederrhein ein renommierter und engagierter Lehrer zu Hause war, der diverse Kinder- und Jugendensembles leitet, hat ihm den Weg geebnet auf die ersten wackeligen Bühnen und ihm die Motivation gegeben, nach der Schule noch sechs Stunden pro Tag Geige zu spielen.

Professoren und Studierende müssen zueinander finden

Talent und Fleiß überzeugten vor drei Jahren auch die Jury der Folkwang-Hochschule. Und dort fand er seinen Meister – das nämlich gehört auch zum Kunsthochschulprinzip: Professoren und Studierende müssen zueinander finden, einander mögen, schließlich werden sie über Jahre miteinander stundenlang arbeiten. Für Peter Mayer bedeutete das Ganze den Verzicht aufs Medizinstudium und das sichere Auskommen.

Jetzt wartet hinter dem Examen wieder ein neues Vorspielen. „Aber ich hatte das Gefühl, ich muss dieser Leidenschaft folgen“, sagt er heute. Seine Geige kostet mehr als manches Auto, den Bogen hat eine Stiftung spendiert und monatlich gehen Saiten und Zubehör für einen kleineren dreistelligen Betrag drauf. „Nur gutes Material sorgt für einen guten Auftritt“, und den kann Peter Mayer auch nicht in Jeans und T-Shirt hinlegen.

Erst Hauptschulabbrecher, jetzt Schauspielschüler

Ganz anders bei Damir Avdic: „Meine Eltern fragen schon mal, ob ich nicht wenigstens mal Bücher mitnehmen muss zu meiner Uni“, erzählt er. Und dass sie besorgt wissen wollen, wie viel Text er denn gelernt hat, so als angehender Schauspieler. In seiner Handwerkerfamilie zählt, dass man eine Ausbildung macht, und zwar ordentlich.

Ein Hauptschulabbrecher, der stattdessen lieber als Zauberer auf der Bühne steht, passte nur schwer ins Bild. Also entschloss sich der 21-Jährige doch eine Ausbildung zu machen und spazierte unbedarft wie einst im Kinoklassiker „Kleine Haie“ der junge Jürgen Vogel auf die Bühne. Und überzeugte die Jury.

Die Ausbildung zum Schauspieler, sie klingt aus seinem Munde ein wenig wie das Dschungelcamp: Er muss mit neun anderen Schauspielern mit ähnlich ausgeprägtem Charakter die richtige Balance finden zwischen Diva sein mit Ellbogen raus und der Hauptrolle im Sinn und gleichzeitig Teamplayer sein, der ins Ensemble passt und mitspielt wie es die Rolle erfordert. Miteinander gespielt und gelernt wird nicht selten rund um die Uhr. Bedeutet: Nebenjobs zur Studienfinanzierung sind schwierig. Aber Avdic kann ja zaubern….

Und ums Zaubern und Bezaubern geht’s wohl auch, beim Violinisten Mayer und bei der Fotografin Sara Hoffmann, drei von gut 1500 Folkwang-Studierenden.