Essen/Oberhausen. . In einer Industriehalle in Oberhausen entsteht derzeit die Eisenbahn- und Ruhrgebiets-Landschaft, die ab Spätsommer in der Gruga-Orangerie die Industriegeschichte von der Nachkriegszeit bis zur Moderne auf 420 Quadratmetern erzählt.

Gebannt blickt Michael Flössel auf den Bildschirm, auf dem der Laie lediglich ein paar sich kreuzende, bunte Linien erkennt. Der Elektroniker wacht über die ersten Testfahrten auf den zwei Kilometern Strecke Schiene, die bereits verlegt sind. Der Ausblick für die Miniatur-Fahrgäste in den winzigen Waggons im Stil der 1950er Jahre ist noch ein wenig trist.

Holzplatten und sogenanntes Styrodur, ein taubenblauer Baustoff für Modelle, bestimmen auf rund 420 Quadratmetern das Bild. Das leise mechanische Summen der kleinen Loks wird vom Lärm der Kreissäge übertönt. Noch gibt es eine Menge zu tun, ehe die Miniaturwelt erschaffen ist, die den Besuchern der Gruga-Orangerie ab dem Spätsommer den Weg von Kohle und Stahl im Liliput-Format aufzeigen soll.

Mit gelbem Klebeband ist der Grundriss der Orangerie auf dem Boden exakt nachgebildet. Sogar die Bühne ist im Holz-Rohschnitt bereits zu erkennen, dort wird demnächst ein Alpenpanorama entstehen. „Wir werden die gesamte Miniaturwelt in Einzelteilen in den Grugapark bringen“, erklärt Jens Kürvers. Er ist der Vater des Mammut-Miniaturprojektes, das seit Ende Januar in einer Industriehalle in Oberhausen entsteht. Kürvers ist Experte im Modellbahnbau, führte unter anderem die Miniaturwelt in Oberhausen, die mittlerweile im Odenwald steht.

Die Miniaturwelt nimmt Form an

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    Von der Nachkriegszeit bis zur Moderne

    Kreativer Kopf hinter dem Modell aber ist Jörg Schmidt. Der Tischler machte sich vor 15 Jahren selbstständig in dieser so eigenen Art des Anlagenbaus und erfüllte sich damit wohl den Traum manches kleinen Jungen. Dabei ist Schmidt mehr als ein Handwerker, Kürvers nennt ihn einen Künstler.

    Die Brille tief in Gesicht gezogen, die Haare etwas wirr, schreitet er fast andächtig die schmalen Gänge ab. Wenn er dabei das Konzept hinter dem Projekt erklärt, ist es fast so, als stünden die winzigen Zechen und Bahnhöfe, das Stahlwerk und die nachempfundenen Ruhrgebietsstädte bereits. „Wir wollen den Materialfluss zeigen“, erklärt Schmidt das Grundprinzip.

    In diesem Fall naheliegenderweise den des Stahls. Dabei soll gleichzeitig die Geschichte des Ruhrgebiets von der Nachkriegszeit bis zur Moderne erzählt werden.

    „Wie ein roter Faden zieht sich ein Gleis durch die gesamte Ausstellung, auf dem die Züge versteckt gewechselt und dabei immer moderner werden“, sagt Schmidt. Die Strecke beginnt an einem „typischen Ruhrgebietshafen“, verläuft dann über Zeche und Stahlwerk bis zu einer hoch technisierten Produktionsstätte eines Autobauers. Am Ende verfolgt der Besucher den Transportweg der Autos durch ein Alpenpanorama bis in ein norditalienisches Autohaus.

    Gesunder Mix auf Industriekultur und Freizeit

    Damit verbindet Jens Kürvers, der in Werden das Autohaus Laupendahler betreibt, seine zwei größten Leidenschaften miteinander. Dabei gehe es ihm aber vor allem darum, Kindern und Jugendlichen die Geschichte des Strukturwandels zu veranschaulichen: „Die Ausstellung soll auch außerschulischer Lernort sein, das ist bereits mit der Bezirksregierung abgesprochen“, erklärt Kürvers.

    Neben der Industrie spiele auch die Freizeit eine Rolle - so ist etwa die Nachbildung eines Campingplatzes im Ruhrtal geplant. Thematisch werden die einzelnen Abschnitte mit zusammengesetzten Bildern eingeordnet, die als Hintergründe fungieren und auf denen abgedunkelt sogar ein Sternenhimmel leuchtet. Dennoch sollen die klassischen Modellbahn-Fans nicht zu kurz kommen. So wird etwa der berühmte Rheingold-Express seine Bahnen auf der am Ende 3,5 Kilometer langen Strecke drehen, die er sich mit 60 bis 80 Zügen teilen wird.

    Ausstellung kommt in Einzelteilen

    Noch arbeitet das insgesamt 30-köpfige Team lediglich mit „Arbeitsmodellen“ - für die Originale ist es noch zu staubig. Die werden von zahlreichen Profis derzeit in filigraner Kleinarbeit gefertigt. Größte Herausforderung beim Aufbau ist die Puzzle-Technik, in der die Miniaturwelt zusammengesetzt wird. „Da die Orangerie noch für einige Veranstaltungen bis weit ins Frühjahr gebucht ist, konnten wir die Ausstellung nicht als Ganzes in Essen aufbauen“, erklärt Kürvers.

    Schienen, Elektronik, Unterbau - alles muss sich auseinander nehmen lassen, damit die Ausstellung transportiert und in Essen wieder zusammengesetzt werden kann. Wann genau das sein wird, kann Kürvers noch nicht genau terminieren: „Es wird auf jeden Fall Spätsommer, aller Voraussicht nach Mitte bis Ende August“, schätzt er.

    Aktuell liege sein Team voll im Zeitplan. Weil sie mit ihrer Zeitreise durchs Ruhrgebiet vor allem Kinder und Jugendliche ansprechen wollen, setzen die Profi-Modellbahner auch auf das Internet. Auf Facebook lässt sich der Aufbau mitverfolgen, mit Fotos und Videos informieren die Miniaturwelt-Bauer über den Stand ihrer Arbeiten.

    „Außerdem können uns Nutzer beim Bau der Anlage live über die Schulter schauen und jederzeit Tipps geben“, erklärt Marvin Mysliwietz, der sich stellvertretend für Kürvers und sein Team um alle Internet-Belange kümmert.