Essen. . Erneuter Ausstand im Wach- und Sicherheitsgewerbe – Verdi fordert ein neues Arbeitgeber-Angebot.

Lothar Staar hat allmählich den Kaffee auf. Seit 30 Jahren ist der 50-jährige Freisenbrucher im Wach- und Sicherheitsgewerbe tätig. Doch nun (warn-)streikt er, so wie viele seiner 34.000 Kollegen in NRW.

Ob im bewaffneten Sicherheitsdienst, im Personen- oder Ob­jektschutz – der Vize-Betriebsratsvorsitzende der „Securitas GmbH Sicherheitsdienste“ mag seinen Job. Jedoch nicht die Konditionen, die besonders für Berufseinsteiger und die unteren Lohngruppen mehr als prekär seien: „Um mit 8,23 Euro Stundenlohn seinen Lebensunterhalt bestreiten und eine Familie ernähren zu können, muss man bis zu 300 Stunden im Monat ar­beiten. Laut einer EU-Richtlinie ist das nicht mehr gestattet.“

"Das ist eine Frechheit, eine Unverschämtheit"

Die Mehrheit der Beschäftigten arbeite in der unteren Lohngruppe; für sie ist dieses „Taschengeld“, wie ein Streikender seinen Lohn betitelt, Realität. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi fordert daher unter anderem eine Lohner­höhungen zwischen 2,50 und 3,64 Euro; die Ar­beitgeber haben nach drei Verhandlungen nur 40 Cent mehr angeboten. „Das ist eine Frechheit, eine Unverschämtheit“, beklagt ein junger Kollege“, der wie Staar gestern mit über 200 Kollegen auf dem Willy-Brandt-Platz lautstark protestiert. Bei einer Arbeitszeit von 160 Stunden monatlich beträgt der Nettoverdienst in seinem Bereich bisher 983 Euro. „Davon kann doch niemand wirklich leben, geschweige denn eine Familie ernähren“, beklagt Achim Grabner.

Er ist ebenfalls im Betriebsrat und sitzt seit zwei Jahren dem Gremium bei der Firma „Westdeutscher Wach- und Schutzdienst Fritz Kötter“ vor. 1990 stieg er als Quereinsteiger ins Wachgewerbe ein; zehn Jahre lang saß er bei Nokia in Bochum an der Pforte – bis sich dort die Tore schlossen. Das Motto der Streikenden lautet in der aktuellen Tarifrunde: „Ich trete ein für einen Lohn von dem ich leben kann“, denn damit könne sich wohl jeder der Betroffenen identifizieren, meint Andrea Becker, die als Verhandlungsführerin die Gewerkschaft Verdi vertritt.

Stimmung auf dem Willy-Brandt-Platz

Zur Musik der Reggae-Dancehall-Band Seeed („Bück dich hoch“) wird Stimmung gemacht auf dem Willy-Brandt-Platz. Viele Passanten bleiben stehen, hören zu und schütteln den Kopf bei dem, was sie da hören. „Ein Personalchef des Branchenprimus Securitas hat bereits öffentlich erklärt, er zahle ohnehin 50 Cent bis zwei Eu­ro mehr pro Stunde, weil er sonst keine Mitarbeiter mehr bekommt“, kommentiert Becker übers Mikrofon. Die Firma UPS am Flughafen Köln-Bonn erfülle Verdis Forderungen nach einem Stundenlohn von 16 Euro schon heute zu 100 Prozent, „indem sie den Billiglohn von Kötter aufstockt“, so Becker.

Es sei schleierhaft, warum die Arbeitgeber trotz dieser Fakten immer noch kein akzeptables Angebot vorlegt haben, sind sich die Streikenden einig. Auf dem Platz haben sie ein Transparent aufgespannt und „Wir treten ein für Löhne, von denen wir leben können.“ draufgeschrieben. Mit ihren Fußabdrücken und Namen versehen, wollen sie es den Ar­beitgebern zukommen lassen.

Schwerpunkt Ruhrgebiet 

Weil die Verhandlungen laut Verdi seit Dezember des vergangenen Jahres stocken, sich die Arbeitgebervertreter nicht rühren würden, will Verdi den Warnstreik fortsetzen; sieben Tage haben die Beschäftigten des Wach- und Sicherheitsgewerbes bereits hinter sich. Der Schwerpunkt sei dabei das Ruhrgebiet sowie die Städte Düsseldorf und Köln. Betroffen sind ebenso Revierfahrer, Kontrollschaffner, Empfangsdienste und die Handwerksdienste in mehreren privaten Sicherheitsunternehmen.

Ein Spiel mit dem Feuer

Becker forderte die Ar­beitgeberseite noch einmal „eindringlich“ auf, ein neues Angebot auf den Tisch zu legen, auf dessen Basis die Verhandlungen fortgeführt werden könnten. „Wir wollen noch vor den Osterferien einen neuen Tarifvertrag unterschreiben, damit endlich Frieden an den Flughäfen einkehrt“, so die Verhandlungsführerin. Verdi ist bereit, die Verhandlungen unmittelbar fortzuführen, wenn die Unternehmer des privaten Wach- und Sicherheitsgewerbes sich „in die richtige Richtung“ bewegen. Ansonsten könne das „Spiel mit dem Feuer“ schnell „zu neuen Verbrennungen führen“, so Becker. Dann würden es wieder Streiks an den Flughäfen geben.

Lothar Staar ist noch an einem anderen Grund sehr daran interessiert, dass sich etwas tut: „Je niedriger der Lohn und je prekärer die Arbeitssituation ist, desto mehr öffnet man das Tor für Bestechlichkeit. Dem müssen wir entgegen wirken.“ Zumindest da sind sich am Ende wohl alle Beteiligten einig: Korruption und Sicherheit, das passt nicht zusammen.

Was Verdi fordert

Die Gewerkschaft fordert im aktuellen Tarifstreit für die 34.000 Beschäftigten im Wach- und Sicherheitsgewerbe in NRW – je nachdem, welcher Leistungsgruppe sie angehören – zwischen 2,50 und 3,64 Euro mehr Lohn. Im Bereich Aviati­on (Sicherheitsgewerbe an Flughäfen) pocht sie darauf, dass die Löhne pauschal auf 16 Euro pro Stunde angehoben werde. Im Bereich der Werkfeuerwehr sollen sie auf das Lohnniveau im öffentlichen Dienst steigen. Azubis sollen monatlich 100 Euro mehr Lohn bekommen. Verdi fordert außerdem klare Regeln für die Eingruppierung statt Willkür des Arbeitgebers. Der Tarifabschluss soll zudem zwölf Monate gültig sein. Die Tarifkommission hat sich eindeutig positioniert und fordert lautstark: Schluss mit Cent-Beträgen, weg mit Niedriglöhnen und Tariferhöhungen die im Portemonnaie spürbar sind.