Essen. . Zum Auftakt der landesweiten Warnstreiks an Schulen haben am Dienstag angestellte Lehrer in den Regierungsbezirken Detmold und Arnsberg gestreikt. Nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) erschienen rund 1400 Lehrer nicht zum Unterricht.
Schüler, die nicht zum Unterricht kommen, hat es immer schon gegeben. Dass gesunde Lehrer der Schule fernbleiben, ist ungewöhnlich. Aber genau dies geschieht in NRW. Tausende angestellte Lehrer gehen lieber ins Streiklokal als in die Schule. Sie fühlen sich von ihren Arbeitgebern, der Tarifgemeinschaft der Länder, ungerecht behandelt.
Dürfen Lehrer streiken?
Streikende Lehrer gelten noch immer als etwas Besonderes. Über die Frage, ob verbeamtete Lehrer streiken dürfen, streiten sich die Experten. Die Dienstherren bestreiten dies. Richter hoben allerdings schon Sanktionen gegen streikende Beamte auf. In dieser Auseinandersetzung geht es aber vor allem um angestellte Pädagogen. 40 000 der 180 000 Lehrer in NRW sind angestellt, etwa 8000 Angestellte gehören einer Gewerkschaft an.
Auch interessant
Warum streiken die Lehrer?
Es geht um die Bezahlung, aber auch darum, dass verbeamtete Lehrer in vielerlei Hinsicht besser gestellt sind als ihre Kollegen, die nach dem Tarifvertrag der Länder (TVL) entlohnt werden. Jörg Bohmann vom Philologenverband NRW, rechnet das am eigenen Beispiel vor. Er ist angestellt und unterrichtet an einem Gymnasium in Niederkassel Deutsch, Erdkunde und Sport. Seine Frau Jutta, Beamtin, lehrt Deutsch und Französisch an einem Gymnasium in Troisdorf. „Brutto verdienen wir ungefähr das Gleiche. Diesen Brutto-Vergleich bemühen auch die Arbeitgeber immer wieder. Aber weil Angestellte ganz andere Beiträge, zum Beispiel für die Arbeitslosen- und Rentenversicherung zahlen müssen, habe ich rund 600 Euro netto weniger.“ Damit nicht genug. Die Rente angestellter Lehrern fällt niedriger aus als die Pension der Beamten. Und bei der Absicherung im Krankheitsfall sind Beamte ebenfalls besser gestellt. Die Gewerkschaften fordern in dem Tarifkonflikt des Öffentlichen Dienstes 6,5 Prozent mehr Geld.
Gibt es weitere Forderungen?
Ja, die nach einem bundesweit einheitlichen Tarif für Lehrer. Der Schuldienst ist der einzige Bereich im Öffentlichen Dienst, in dem keine einheitlichen Eingruppierungsregeln gelten. Es gibt Unterschiede zwischen Ost und West und zwischen den einzelnen Ländern.
Folgen die Lehrer dem Aufruf?
Es ist ihnen am Dienstag gelungen, Nadelstiche zu setzen. 800 Lehrer haben nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) allein im Regierungsbezirk Arnsberg gestreikt. Die GEW ist damit zufrieden. Mit 150 Kollegen hatte Volker Maibaum von der GEW Dortmund im Streiklokal gerechnet. „Viele sind nur befristet beschäftigt. Die haben Angst zu streiken“, sagte er. Gekommen aber waren doch 350. Aus Dortmund, Hagen, dem Ennepe-Ruhr-Kreis, dem Märkischen Kreis und dem Hochsauerland. 150 Streikende waren es in Unna. 75 hatten sich in Siegen in die Listen eingetragen - von insgesamt 180 Gewerkschaftsmitgliedern im Landkreis. Beim letzten Streik vor zwei Jahren waren es 55. Und vor sechs Jahren, beim ersten Lehrer-Streik, kamen nur vier, erinnert sich Streikleiter Dieter Granzow.
Wie hat der Streik gewirkt?
60 Stunden mussten zum Beispiel an der Hauptschule Wenden im Sauerland ausfallen, weil nicht nur gestreikt wurde, sondern auch fünf Kollegen krank gemeldet waren. Unterricht hatten dort die Zehntklässler, die sich auf die Prüfungen vorbereiten müssen. Und die Achtklässler, die an den Lernstandserhebungen Englisch teilnahmen. Andere Schüler hingegen, die vorwiegend von streikenden Kollegen unterrichtet werden sollten, durften gestern zu Hause bleiben.
Auch interessant
An der Siegener Realschule „Am Häusling“ hatten die Zehntklässler frei, wie Dieter Granzow berichtet. Die jüngeren Kinder wurden unterrichtet. Sechs von sieben angestellten Lehrern waren an der Realschule im Streik, über 30 Stunden wurden gestrichen. Etwas mehr als nur ein Nadelstich
Was sagen die Arbeitgeber?
Der Preis sei zu hoch. Ein Gehalts-Plus von 6,5 Prozent im öffentlichen Dienst würde die Länder-Haushalte mit 2,2 Milliarden Euro belasten, rechnet der Vorsitzende der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TDL), Sachsen-Anhalts Finanzminister Jens Bullerjahn vor. Haushalts-Konsolidierung sei so unmöglich.