Essen.

Frohnhausen hat in Essen nicht unbedingt den Ruf, ein besonders sehenswertes Viertel zu sein. Zumindest teilweise basiert das auf schlichter Unkenntnis, sagt Robert Welzel. Der Historiker ist seit vielen Jahren in seinem Heimat-Stadtteil forschend und mit wachen Augen unterwegs und rollte jüngst bei einem Vortrag die interessante und weitgehend unbekannte Baugeschichte rund um den Frohnhauser Markt und die Apostelkirche auf.

Unmittelbarer Anlass ist das bevorstehende 100-jährige Jubiläum des noch heute eindrucksvollen evangelischen Kirchengebäudes. Im November 1913 wurde es fertig, baulich ein typisches Kind seiner Zeit. Welzel erkennt hier den „gebauten Ausdruck von Patriotismus, Krieg und Kaiserreich“, und tatsächlich ist die Apostelkirche auch Macht-Architektur, Symbol eines autoritären preußisch-deutschen Protestantismus, für den am Vorabend des Ersten Weltkriegs das vielzitierte „Bündnis zwischen Thron und Altar“ prägend war. Andererseits: Während Kirchen noch wenige Jahre zuvor aussahen wie schlechte Kopien aus dem Mittelalter, weist die Apostelkirche laut Welzel deutlich in Richtung der Epoche der Baureformen - wie das Viertel, das sie umgibt. Allerdings muss man heute schon genau hinsehen, um dies wahrzunehmen.

Parks, Plätze und grüne Innenhöfe

Nach der Eingemeindung der Bürgermeisterei Altendorf 1901 beauftragte Oberbürgermeister Erich Zweigert den Leiter des Stadterweiterungsamtes Robert Schmidt mit der Planung eines neuen Wohngebiets. Entstehen sollte in diesem noch weitgehend agrarisch geprägten Teil Frohnhausens nicht ein weiteres gesichtsloses, enges und ungesundes Mietskasernenviertel wie es etwa der Segeroth war. Gewollt war ein Arbeiterstadtteil mit Parks, Straßenbäumen, kleinen Plätzen, begrünten Innenhöfen und Häusern, die nicht vornehm, aber doch qualitätvoll sein sollten. Möglich war so etwas damals nur, wenn die Stadt den Grund und Boden besaß und privaten Bauherrn wenigstens Minimalvorschriften auferlegen konnte.

Es gelang 1904, den Pollerbergshof mit zehn Hektar Land zu kaufen, und Schmidt erhielt nun den Raum, um seine städtebaulichen Ideen zu verwirklichen, die er später im Moltkeviertel und im Haumannhofviertel zur Blüte brachte. Er hatte den Ehrgeiz „Schönes zu schaffen, damit der Bürger stolz auf seine Stadt ist“. Im Zentrum stand dabei der weitläufige Frohnhauser Marktplatz und der angrenzende Westpark. Auch die gebogene Form einiger Straßen, die idyllisch anmutenden Stadthäuser mit ihren Erkern und sichtbarem Fachwerk, der Verzicht auf langweiligen Katalog-Stuck an den Fassaden waren für Schmidt Mittel, um eine Art bürgerliches Arbeiterviertel zu schaffen.

Es gelang, wie alte Fotos beweisen, und vor allem rund um den Westpark hat sich sogar viel historische Substanz erhalten. Anderes fiel den Bomben und der oft bis heute andauernden städtebaulichen Nachlässigkeit zum Opfer. Die einst sehr hübschen Häuser der Pollerbergstraße etwa besaßen Vorgärten, die eigentlich ein Privileg viel vornehmerer Viertel waren. Heute sind diese Vorgärten - Auto-Parkplätze.

Im Visier der Bomben

Genau 444.000 Mark kostete 1913 der Bau der Apostelkirche, 75.000 Mark und die Fenster steuerte die Firma Krupp bei. Nicht nur der evangelischen Kirche, auch dem Stadtteil Frohnhausen fühlten sich die Krupps in besonderer Weise verbunden, denn dort lebten viele Kruppianer in werkseigenen Siedlungen oder in den Wohnungen privater Eigentümer. Der nach außen wehrhaft wirkende, innen sehr grüne Luisenhof am Westpark und der Alfredshof sind bis heute bauliche Zeugnisse für den Krupp-Werkswohnungsbau im Essener Westen, der eine lange Geschichte hat.

Durch die Nähe zur Fabrik und weil Frohnhausen relativ dicht besiedelt war, geriet das Quartier im Zweiten Weltkrieg schon früh ins Visier der alliierten Bomberflotten . Auch die Apostelkirche brannte vollkommen nieder, nur der massive Turm mit der 3,80 Meter großen Uhr widerstand. Das Kirchenschiff blieb lange Ruine und wurde erst 1958 vereinfacht wieder aufgebaut. Die Gottesdienste der Gemeinde fanden seit 1949 in einer „Notkirche“ statt, die noch heute an der Mülheimer Straße existiert und inzwischen zumeist für kleine Ausstellungen genutzt wird.

Weniger der Krieg, eher Vernachlässigung hätte fast ein Kleinod zerstört, das gemeinsam mit der Kirche 1913 eingeweiht wurde: den Gänsereiterbrunnen. Auch dank vieler Kleinspenden konnte das Jugendstil-Kunstwerk im Kulturhauptstadtjahr gerettet werden.