Fast drei Jahre ist es nun her, dass das neue Museum Folkwang pünktlich zum Beginn des Kulturhauptstadtjahres eingeweiht wurde, und wenn nicht alles täuscht, dann haben sich viele Essener an den Bau gewöhnt und das Staunen ein wenig verlernt. Dieser Bild- und Textband kommt deshalb zur rechten Zeit. Er zeigt nicht nur, welchen architektonischen Schatz Essen hier besitzt, er ruft auch eine erstaunliche Leistung in Erinnerung: Planung und Bau gehorchten einem extrem engen Zeitplan, den eingehalten zu haben einem Wunder gleicht, bedenkt man, wie lang die Liste der Negativbeispiele beim öffentlichen Bauen ist. Und dass trotz dieser Eile bis heute keine wesentlichen Baumängel bekannt wurden, kann man als Bürger nur dankbar registrieren.
Baudezernentin Simone Raskob und der damalige Kulturdezernent Oliver Scheytt sprechen in ihrem gemeinsamen Essay zu Recht von einem „Glücksfall der Essener Geschichte“, der eingebettet war in eine auch sonst ungeheuer produktive Phase. Denn es galt ja im Kultursektor zeitgleich weitere Bälle in der Luft zu halten, darunter so anspruchsvolle Vorhaben wie die Kulturhauptstadtvorbereitung, den Ausbau von Zollverein für das Ruhrmuseum, die Neukonzeptionierung der Alten Synagoge.
Ende August 2006 gab Berthold Beitz seinen Beschluss bekannt, namens der Krupp-Stiftung 55 Millionen Euro für ein neues Museum zu spenden, im Januar 2010, also kaum dreieinhalb Jahre später, sollte alles fertig sein. Ein Plan, der allenfalls bei maximaler Disziplin aller Beteiligten aufgehen konnte. Es galt politische Beschlüsse zu fassen, einen Architekturwettbewerb abzuhalten, die riesigen Bestände des Folkwang- und des alten Ruhrlandmuseums einzulagern, den von beiden Museen genutzten Altbau von 1983 niederzulegen, den Altbau von 1960 klimatechnisch zu sanieren, schwierige Kostenfragen zu klären, die der Stadt oblagen (Tiefgarage), dann den Neubau zu stemmen und schließlich den komplexen Museums-Betrieb reibungslos in Gang zu setzen. Immerhin schaute zur Eröffnung die gesamte Kunst-Welt nach Essen.
Es gelang - und das Ergebnis ist bis heute beglückend. Zwei Thesen: Ohne den Patriarchen vom Hügel hätte es an der Autorität im Hintergrund gefehlt, um die bereits genannte Selbstdisziplin aller Beteiligten abzusichern. Und die kostenbewusste Leistungskraft und detailversessene Liebe zur Sache von Projektsteuerer Klaus Wolff war ebenfalls ganz und gar unentbehrlich. Dass Wolff trotz seiner Leistungen in Essen bei manchem nicht mehr gut gelitten ist, gehört zu den kleinlichen Reflexen, die dieser Stadt ebenfalls eigen sind.
Aber was ist das gegen diesen Jahrhundertbau? Der Architekturhistoriker Wolfgang Pehnt erklärt in seinem Buchbeitrag in klaren Worten die Qualitäten von Chipperfields Entwurf, das Halten der Mitte zwischen „verträglichem Pathos“ und unaufgeregter Nüchternheit, die Aufwertung des Stadtbilds und das kongeniale Spiel mit der Folkwang-Philosophie, die Sammlungsgründer Karl Ernst Osthaus mit dem Satz umschrieb: „Durch Vernunft zur Schönheit“. Exakt das strahlt dieser Bau aus.