Essen. . Abwarten und fairen Kaffee trinken - den gibt’s jetzt zumindest in der Rathauskantine. Ansonsten ist man auf dem Weg zur „Fairtrade Town“ in Essen noch nicht weit. Bis Ende des Jahres sollte eine Steuerungsgruppe einberufen und ein Aktionsplan erarbeitet sein.
„Fair geht vor“ heißt es so schön. In diesem Fall allerdings hinkt fair eher hinterher. „Fairtrade-Stadt“ soll Essen werden, so hat der Rat es im vergangenen September einstimmig beschlossen, nachdem die Politik bereits im März 2011 den ersten Aufschlag gemacht hatte. Bis Ende des Jahres sollte eine Steuerungsgruppe einberufen und ein Aktionsplan erarbeitet sein. Doch über die Einführung von fair gehandeltem Kaffee in der Rathauskantine ist man bislang nicht weit hinausgekommen.
Günter Blocks, bei der Stadt für das Projekt verantwortlich, macht aus seiner Enttäuschung über den stockenden Fahrplan keinen Hehl. „Da war ich wohl zu optimistisch.“ Ein Mentalitätswandel in der Verwaltung lässt sich offenbar nicht im gewünschten Tempo herbeiführen, sei aber nötig. Schließlich soll es bei der Aktion um mehr gehen als um Kaffee und Schokolade. Vom Büro-Inventar bis zur Arbeitskleidung, so die Idee der „Fairtrade Town“, sollen die teilnehmenden Kommunen keine Produkte mehr kaufen, die unter ausbeuterischen oder umweltzerstörerischen Bedingungen gefertigt wurden.
Keine zentrale Beschaffung
Schwierig ist die Umsetzung offenbar unter anderem deshalb, weil innerhalb der Verwaltung mehrere Stellen mit dem Einkauf befasst sind und viele Ansprechpartner ins Boot geholt werden müssen. Die Beschaffung ist nicht zentral organisiert, sondern wird in der Regel von den einzelnen Bereichen gesteuert. Die dortigen Verantwortlichen gilt es nun für das Thema zu sensibilisieren. Das Interesse etwa an Fachtagungen zum Thema sei allerdings eher mau, sagt Blocks.
Feuerwehr: Sicherheit geht vor
Zu den Bereichen mit vergleichsweise großem Beschaffungsaufkommen zählt die Feuerwehr. Sprecher Mike Filzen weist auf die Schwierigkeiten hin, die die Fairtrade-Maxime mit sich bringt. Gerade das Thema Schutzkleidung sei heikel. „Es gibt dabei eine Vielzahl ganz bestimmter Kriterien und Anforderungen, bis hin zum Widerstand gegen elektrische Spannungen. Da kann man nicht irgendeinen Hersteller nehmen. Die Sicherheit der Kollegen ist das oberste Gebot.“ Und: „Diese Aufträge müssen natürlich ausgeschrieben werden, wir können nicht freihändig vergeben.“
Zumindest was die gesetzlichen Rahmenbedingungen angeht, ist es etwas einfacher geworden, den Fairtrade-Gedanken umzusetzen. Das Tariftreue- und Vergabegesetz NRW enthält seit Anfang 2012 einen Passus, wonach „in geeigneten Fällen fair gehandelte Waren beschafft werden können“. Nun dürfte in einer finanzschwachen Stadt wie Essen die Formulierung „können“ deutlich wahrgenommen worden sein. Schließlich ist die Recherche nach dem tatsächlichen Ursprung von Waren nicht nur aufwändig, sondern das faire Alternativprodukt in der Regel auch teurer.
Biologisch abbaubare Produkte langfristig günstiger
Das Kostenargument lässt Günter Blocks nicht gelten und macht ein Beispiel auf: Die Pflanzenfolie aus Kunststoff, mit der junge Beete abgedeckt werden, koste zwar nur halb so viel wie das biologisch abbaubare Konkurrenzprodukt. „Berücksichtigt man jedoch die wegfallenden Kosten für Entfernung und Entsorgung, ist die umweltfreundliche Folie sogar 20 Prozent günstiger.“ Das schlägt aber eben nicht im Moment der Anschaffung zu Buche, sondern erst viel später – eine vorausschauende Investition, wie sie unter dem gestrengen Blick aus Düsseldorf schwierig sein können.
Linke Liste fordert Einrichtung eines Gremiums
Aus Sicht der Linken Liste, die jüngst eine Anfrage zum Thema gestellt hatte, wäre schon viel geholfen, wenn sich im Rathaus wie vorgesehen ein Lenkungskreis des Themas annähme. Bevor man die Frage nach dem Stand der Dinge bei der Einrichtung eines solchen Gremiums beantworten könne, müssten „noch einige organisatorische Details geklärt werden“, heißt es in der Antwort der Verwaltung. Ansonsten sei man „mit der Umsetzung des Ratsbeschlusses schon ein gutes Stück vorangekommen“.
In der Steuerungsgruppe sollen sowohl Vertreter von Politik und Verwaltung als auch Externe sitzen. Jemand wie Vera Dwors vom „Netzwerk Faire Metropole Ruhr“ etwa. Den Fortschritt bei der Stadt nimmt sie als schleppend wahr. „Mit einer Steuerungsgruppe würde es schneller gehen.“ Warum es das Gremium noch nicht gibt, kann sie nicht nachvollziehen. „Aber wir geben nicht auf und warten auf die erste Sitzung.“