Essen. . Unerwartet fielen über Nacht 20 Zentimeter Schnee, der den Verkehr im gesamten Stadtgebiet lahm legte. Für die kommenden Tage droht nun Glatteis.
„Es ist das totale Chaos, überall Stau, kein Durchkommen, die Fahrgäste sind ungeduldig.“ Der Taxifahrer vor dem Südausgang des Hauptbahnhofs ist genervt. Der plötzliche Schneefall über Nacht verhindert einen geregelten Arbeitstag. Die meisten seiner Kollegen haben es gar nicht erst versucht, wie der Geschäftsführer von Taxi Essen, Albert Mertes, erzählt. Gerade mal 20 seiner 365 Fahrer haben sich am Morgen im System angemeldet. Der Rest hat den Wagen stehen lassen.
„Zwischen 6 und 10 Uhr machte es einfach wenig Sinn. Viele wollten, aber konnten einfach nicht fahren“, erklärt Mertens. „Mit diesem Problem leben wir hier halt, sobald Schnee fällt.“ Erst als gegen Vormittag das Tauwetter einsetzt, füllen sich die bis dahin äußerst überschaubar gefüllten Taxistände in der Innenstadt. Viele kommen erst jetzt nach und nach aus den Außenbezirken. Von dort werden morgens die meisten Fahrten Richtung Zentrum gemacht, gestern war das nahezu unmöglich. Nicht nur für die Taxen, sondern natürlich auch für die übrigen Pendler.
Rund 50 witterungsbedingte Verkehrsunfälle
Um die Motorisierten unter ihnen kümmerte sich die Polizei nach Kräften: Brisante Stellen wie den Bredeneyer Berg oder den Schuirweg sperrten die Ordnungshüter prophylaktisch. An der Laupendahler Landstraße musste die Feuerwehr aktiv werden, nachdem ein Baum durch die Schneelast abgebrochen war und die Fahrbahn blockierte. Hinzu kamen vereinzelt querstehende Lastwagen, etwa in Kray.
Rund 50 witterungsbedingte Verkehrsunfälle zählte Polizeisprecherin Tanja Hagelüken bereits gegen 9.40 Uhr. Nur nach und nach konnten die Beamten die Unfallaufnahmen abarbeiten. Am Ende standen rund 90 Unfälle in der Tagesbilanz, darunter aber auch einige, die nichts mit der Witterung zu tun hatten.
„Wir waren ab 3 Uhr nachts im Großeinsatz“
Die, die ein solches Chaos eigentlich verhindern sollten, verweisen unterdessen darauf, „alles gegeben“ zu haben. „Wir waren ab 3 Uhr nachts im Großeinsatz“, erklärt Bettina Hellenkamp, Sprecherin der Entsorgungsbetriebe Essen (EBE). Mit zwölf großen Fahrzeugen habe man in der Nacht versucht, des Schnees Herr zu werden. „Der kam in dieser Masse unerwartet“, erklärt Bettina Hellenkamp, dennoch seien 15 Mitarbeiter so schnell wie möglich ausgerückt. Dass die zusätzlichen fünf kleineren Streuwagen für den Streuplan B erst ab 6 Uhr zum Einsatz kamen, sei eine Entscheidung der Stadt gewesen. Die habe die kleinen Wagen mit je zwei Mitarbeitern nur zwischen 6 und 22 Uhr angefordert. Gerade in den südlichen Stadtteilen blieben die betreffenden Straßen zunächst ungeräumt.
Völlig überrumpelt wurde auch die Essener Verkehrs-AG (Evag) von dem Schneechaos: „Die Prognose kam erst unmittelbar, bevor es losging. Keine Chance zu reagieren“, hieß es. Der Busverkehr im gesamten Stadtgebiet wurde eingestellt, Trams und U-Bahnen fuhren – aber mit teils erheblichen Verspätungen. Keine gestreuten Linienwege, kein Busverkehr – damit mussten sich viele der an den Haltestellen Wartenden abfinden. Ab 10.45 Uhr nahm man den Betrieb mit Kurzbussen wieder auf, ab 13 Uhr normalisierte er sich auch im Süden der Stadt. Mit Schneewachen wolle man, so Sprecher Olaf Frei, ab sofort nachts sicherstellen, dass man schneller reagieren könne und Schienen und Oberleitungen eis- und schneefrei bleiben.
Schneechaos in Essen
Die leise Kritik an den Vorbereitungen der EBE durch Bürger – und in Zwischentönen auch von Evag -Seite – räumten die Meteorologen des Deutschen Wetterdiensts in Schuir zumindest teilweise aus. Dort gibt man auf Nachfrage unumwunden zu: „Diese Schneemengen, die das Tiefdruckgebiet mit sich brachte, waren so nicht vorhergesagt.“ Für die kommenden Tage rechne man nicht mehr mit vergleichbaren Verhältnissen, dafür droht schon für den heutigen Morgen ein neues Problem: Glatteis. Ob der Plusgrade am Mittwochnachmittag ist die weiße Pracht an vielen Stellen bereits zerschmolzen, zurück bleiben nasse Fahrbahnen. Doch in der Nacht sinken die Temperaturen wieder in den Minusbereich. „Viele Gullis sind noch mit Schnee verstopft, das Wasser kann nicht ablaufen und gefriert“, erklärt das Wetteramt.
Geschwindigkeit drosseln
Für die kommenden Tage rät Polizeisprecherin Tanja Hagelüken Autofahren eine „angepasste Fahrweise“. Das heißt: Geschwindigkeit drosseln, selbstverständlich Winterreifen haben und Scheinwerfer, Rückleuchten, Außenspiegel und Fenster richtig von Schnee und Eis befreien, um eine gute Sicht zu haben. „Wer ganz aufs Auto verzichten kann, sollte das tun. Das wäre natürlich besser.“
Während ein Vorankommen auf den Straßen also schwierig war und bleibt, blickt man bei der Deutschen Bahn zufrieden auf den Ablauf am unerwarteten Wintertag zurück. „Eine Oberleitung wurde durch einen Baum getroffen, dadurch ist es zwischen Oberhausen und Emmerich zu Ausfällen gekommen, die S-Bahn-Linie 9 hatte zeitweise Weichenprobleme – ansonsten lief alles in und um Essen herum zufriedenstellend“, resümierte ein Bahn-Sprecher. Also: allseits gute Fahrt – auf der Schiene!