Essen. Unfälle, Pannen und die Witterung setzen der Evag in Essen zu. Häufig fehlt es an Straßenbahnen, um den Fahrplan zu bedienen. Der Fahrgastverband „Pro Bahn Ruhr“ rät der Evag, eine größere Reserve an Altfahrzeugen anlegen, und besser darüber zu informieren, auf welchen Linien sie Notbetrieb fährt.
Kommt sie noch, oder kommt sie nicht? Diese Frage stellt sich mittlerweile so mancher Essener, wenn er früh morgens auf seine Straßenbahn wartet. Oder mittags, oder am Nachmittag. Es kann schnell zum Glücksspiel werden, das Wartespiel mit den Öffentlichen.
70 Bahnen benötigt die Essener Verkehrs-AG (Evag), um nach Plan fahren zu können. 90 nennt sie ihr Eigen, was augenscheinlich eine gute Basis ist – wenn mal eine ausfällt. Wenn’s denn nur eine wäre: Vier schwere Straßenbahnunfälle in nur acht Monaten, dazu winter- und wetterbedingte Probleme – von der Elektronik bis zum simplen Türschaden, das alles gehe allmählich an die Substanz. Und auf Kosten des Fahrplans. „Die Werkstatt ist voll, es passen gar nicht alle defekten Bahnen rein“, sagt Evag-Sprecher Olaf Frei. Man arbeite an der Kapazitätsgrenze.
Neun Fahrzeuge außer Betrieb
Und so wird die vermeintliche eiserne Reserve von 20 Fahrzeugen bloß zu einer rechnerischen: Notwendige Umbauten, kurzfristiges Beseitigen von Schäden, die feuchtigkeitsanfällige Elektronik und Wartungsabreiten machen sie oft von einem auf den anderen Tag zu Nichte.
„Allein durch Unfälle sind neun Fahrzeuge mittelfristig außer Betrieb, die so schnell wie möglich wieder instand gesetzt werden“, betont Frei. Doch so etwas gehe nicht „mal eben“. Und das bekomme auch König Kunde spürbar mit. Etwa, wenn die Linie 106 morgens nicht wie gewohnt alle 20 Minuten fährt, sondern man 40 Minuten an der Haltestelle ausharren muss.
101 macht oft am Hauptbahnhof schlapp
Oder wenn die Linie 103 nicht bis Essen-Steele fährt, sondern es bereits an der Hollestraße „Endstelle“ heißt – wie auch bei der Linie 101, die eigentlich bis Bredeney fährt und oft schon am Hauptbahnhof schlapp macht. Die Evag-Leitstelle sei angehalten, Betriebsleistung so zu kompensieren, dass möglichst wenig Fahrgäste betroffen sind.
„Dies geschieht, indem E-Wagen-Fahrten, die nicht im Fahrplan stehen, wegfallen, oder einzelne Kurse zeitweise kurzgelegt werden, bis die notwendige Fahrzeugverfügbarkeit wieder hergestellt ist“, beschreibt Frei die Situation. „Eine 40-Minuten-Lücke im Plan ist ein Unding“, betont Lothar Ebbers vom Fahrgastverband „Pro Bahn Ruhr“, kann die Evag aber dennoch in Teilen verstehen.
Zehn Minuten Verspätung – Geld zurück
„Die Verkehrsbetriebe in Duisburg, Mülheim und Essen sind mittlerweile ziemlich marode, da stehen die Bochumer, Oberhausener und Dortmunder noch besser da“, so Ebbers. Was von der Politik einst als Sparmaßnahme verkauft wurde, käme nun als Problem an die Oberfläche und auf die Bürger zu, die auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen sind. Eine Ausweg hat der Pro-Bahn-Sprecher nicht parat, aber einen gut gemeinten Rat: „Wenn die Evag klug ist, wird sie künftig eine größere Reserve an Altfahrzeugen anlegen, und besser kommunizieren, auf welchen Linien sie mit Notbetrieb fährt.“
Dass es trotz der chronisch klammen Kasse möglich ist, seinen Kunden entgegen zu kommen, beweist das Unternehmen mit seinem freiwilligen Pünktlichkeitsversprechen. „Sollten Sie mit der Evag einmal später als zehn Minuten an Ihrer Zielhaltestelle ankommen, erstatten wir Ihnen das Geld für Ihr Ticket zurück“, heißt’s im Internet. Das solle, so Olaf Frei, weiterhin so bleiben. Einziges Manko: Es bedeutet nicht, dass die Bahn wenigstens unpünktlich kommt. Und so bleibt’s am Ende doch bei der Frage: Kommt sie noch, oder kommt sie nicht?