Essen. . Ehrenamtliche von der „Tafel“ bringen Lebensmittel zu Kindern, Obdachlosen oder Prostituierten. Alles findet dankbare Abnehmer. Was sich nach der Tour noch auf der Ladefläche stapelt, bringen die Helfer zu den Franziskanern, eine der Verteilerstellen der Tafel, wo Bedürftige hinkommen.
Alles auf den Bock, lautet das Kommando. Abfahrt am Steeler Wasserturm. Morgens kurz vor acht haben Hannes Haxter (69) und Wolfgang Depiereux (70) den Kleinlaster der Tafel schon mit einigen Lebensmitteln bepackt, die sie an dem Vormittag an Bedürftige verteilen werden. Erst sammeln sie noch Brokkoli, Brote, Käse und Gemüse. Rund um den Hauptbahnhof führt die Tour die Ehrenamtlichen.
Kistenweise hieven sie Äpfel und Champignons auf die Ladefläche. Fahren bei Real, Rewe oder Lidl vor die Rampen. Hannes Haxter springt aus dem Wagen, weist Fahrer Wolfgang Depiereux ein, der früher Chef eines Speditionsunternehmens war. „Ich habe immer gut gelebt, da tut es gut, was zurückgeben zu können“, sagt er. Es sei ja nicht viel, findet der 70-Jährige, der bei der Tafel einspringt, wenn Not am Mann ist. Spaß müsse es machen, ruft er gut gelaunt.
„Guten Morgen, die Essener Tafel“, begrüßt Hannes Haxter die Verkäufer, die auf die Lebensmittel zeigen. Solche, deren Verpackung aufgerissen ist. Joghurts, die nur noch kurz haltbar sind. Reifes Obst, das keiner mehr kauft. Möhren, die wohl auf dem Müll landen würden, obwohl sie noch knackig sind. Ist eine schimmelige Tomate darunter, sortieren die Männer aus. Sonst gilt: „Wir nehmen alles“, sagt Haxter. Auch Toilettenpapier, Folie oder Stiefmütterchen. Radieschen sind an dem Morgen der Renner. Mindestens acht Paletten. Schokohasen kommen noch, sagen die beiden voraus. So kurz nach Ostern.
Jeder nur ein Teil, süß oder salzig
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Richtig schwere Kisten schleppen sie vor Weihnachten, wegen der Apfelsinen. Danach gibt es Stollen. Kürzlich nach dem Streik des Öffentlichen Dienstes bekamen sie Unmengen Brot, erzählt Hannes Haxter, der früher bei Hochtief gearbeitet hat und seit zwei Jahren für die Tafel fährt. Einmal die Woche, immer die Innenstadt-Tour, sagt der 69-Jährige, während Wolfgang Depiereux den Raum 58 ansteuert, in dem abends obdachlose Jugendliche ein Bett für die Nacht finden. Für das Abendessen laden die Männer Tomaten, Pilze und Milch ab. Im Krisencafé der Suchthilfe lassen sie Auberginen, Erdbeeren und Fenchel. Spinat lieber nicht, stattdessen Chinakohl. Mittagessen kostet 1,10 Euro. „Wenn man die ganze Woche kommt“, sagt eine junge Frau im Kapuzenpulli, „überlebt man am Wochenende sogar ohne Essen.“
Wenige Meter weiter stapelt Bernd Bleiweiß von der Notschlafstelle zum Salat verpackte Brötchen mit Frikadelle und Senf in seine Kiste. Abends warten mindestens 35 Leute darauf. „Mach voll“, sagt er lachend und fragt nach Joghurts für die Damen – die aus dem ältesten Gewerbe, erklärt er. Doch mit Milchprodukten ist’s an diesem Morgen schlapp, sagt Wolfgang Depiereux. Er reicht Bananen. Über die freut sich auch die Bahnhofsmission, weil viele Besucher nicht gern in Äpfel beißen. Wegen der schlechten Zähne, sagt eine Helferin. Sie nimmt noch Plunderteilchen und Blätterteig mit Würstchen. Nicht zu viele. Bei ihnen dürfe jeder nur ein Teil, süß oder salzig.
„Wenn es Schnitzel gibt, dann ist die Bude hier richtig voll“
Für die Kita Vogelnest gibt es Erdbeeren, daraus wird Marmelade für die Mädchen und Jungen. Früher bei seinen Eltern hat er gern Sauerbraten gegessen, erzählt ein 48-Jähriger im Café iks, einer Anlaufstelle für Menschen mit HIV oder Aids, aus dem Betreuten Wohnen oder ohne Arbeit. „Deswegen sind wir ja hier“, sagt er. Schule sei nicht sein Ding gewesen, die Lehre als Bauschlosser habe er abgebrochen und sucht nun einen „Job, von dem ich leben kann“, erzählt er nach dem Frühstück. Aber wenn man erst 40 sei, „lassen einen alle fallen wie eine heiße Kartoffel“. Er ist jetzt geschieden, kommt seit zwei Jahren ins Café: „Seitdem habe ich richtig zugenommen.“ Mittags Asiapfanne, steht auf einer Tafel. „Wenn es Schnitzel gibt, dann ist die Bude hier richtig voll.“
Fleisch nimmt Hannes Haxter als Spende allerdings nicht gern an. Es sei denn verpackt und noch haltbar. Er reicht Sarah Schneemann vom Café iks vier Lagen Radieschen und eine mit Himbeeren. Osterhasen landen an dem Morgen doch nicht mehr auf dem Laster, stattdessen Tannenbäume. Alles findet dankbare Abnehmer. Was sich nach der Tour noch auf der Ladefläche stapelt, bringen sie zu den Franziskanern, eine der Verteilerstellen der Tafel, wo Bedürftige hinkommen. Sorgen um die vielen Lebensmittel machen sich die Männer nie: „Am Ende ist der Laster immer leer.“