Am Arbeitsplatz vollzieht sich eine überraschende Entwicklung: Wo man früher von Kindern lieber schwieg, werden Eltern nun umworben. So erlebt es zum Beispiel die DRK-Tochter BsE, die seit August 2012 die betriebsnahe Kita „Miniapolis“ von Thyssen-Krupp betreibt.

„Wir beobachten seit einiger Zeit einen Wandel in den Unternehmen zu mehr Familienfreundlichkeit. Da wird wird genau ermittelt, was die Mitarbeiter entlasten würde“, sagt Claudia Fockenberg, Referentin für Betriebs-Kitas bei der BsE. Dabei treffe das Interesse der Firmen an Fachkräften auf den Wunsch, Familie und Beruf zu verbinden. Das sei zwar kein neues Phänomen, „aber wir sehen bei der Betreuung von Kindern unter drei Jahren erhebliche Zuwächse“, ergänzt Anna Stegemann, Referatsleiterin für Familienhilfe beim DRK Nordrhein.

Die Bereitschaft, schon Kinder im Krabbelalter in Kitas zu geben, wachse nicht nur bei Karriere-orientierten Frauen. „Es gibt daneben auch immer mehr Frauen, die arbeiten müssen“, so Stegemann. Beide Gruppen merkten, dass es schwer sei, nach jahrelanger Pause wieder im Beruf anzudocken. „Ist eine rasche Rückkehr an den Arbeitsplatz möglich, fällt der Wiedereinstieg erheblich leichter“, sagt Fockenberg. Hier helfe eine Betriebs-Kita, die eine Anfahrt spart und oft flexiblere Betreuungszeiten bietet: Das Jonglieren mit Kita, Oma, Tagesmutter, das gehetzte Abholen entfallen. Das hat handfeste Folgen: „Wo es Betriebskitas gibt, werden mehr Mitarbeiterinnen schwanger. Das sagen alle Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten. Die Frauen da wissen: Ich kann meinen Job behalten, wenn ich ein Kind habe, und ich muss keine Kopfstände machen, um eine passgenaue Betreuung zu finden. Das ermutigt kinderlose Frauen, ein Kind zu bekommen, und erleichtert Müttern, sich für ein zweites zu entscheiden“, so Stegemann.

Auch die Firmen erlebten den Babyboom nicht als Nachteil, weil sie wüssten, dass ihnen das Know-How der Frauen erhalten bleibe: „Früher fielen Mütter oft für volle drei Jahre aus – eine lange Zeit, für die die Betriebe Ersatz finden mussten. Heute sind viele nach einem Jahr zurück.“

Zumindest große Unternehmen hätten längst registriert, dass sich mancher Angestellte seinen Job auch unter dem Aspekt der Familienfreundlichkeit aussuche. „Inzwischen fragen auch immer mehr Männer, was eine Firma für die Familie tut“, sagt Claudia Fockenberg.

Das bestätigt auch eine Sprecherin von Thyssen-Krupp: „Das Thema Familie wird offensiv angegangen. Und dass Väter in Elternzeit gehen, ist eine so gängige wie anerkannte Praxis bei uns – auch in hohen Positionen.“ Von einem Babyboom in der Belegschaft könne sie freilich noch nicht sprechen – aber ein halbes Jahr nach Eröffnung der Kita sei das wohl auch etwas früh.