Essen. Mit dem Vorstoß, Kitas auch samstags oder am Wochenende zu öffnen, hat der Ruhrbischof eine Diskussion bei den Verantwortlichen ausgelöst. Die einen halten flexiblere Betreuungszeiten für wichtig, die anderen warnen davor, Kinder zu überfordern: Nach einem 9-Stunden-Tag brauchten die Kleinen ihr Zuhause.

Für die einen ist es eine Horrorvision, für die anderen die richtige Antwort auf die Bedürfnisse moderner Familien: In einem bemerkenswerten Schulterschluss forderten jetzt der Ruhrbischof und die Familienministerin, Kitas auch nachts und am Wochenende zu öffnen.

„Wir können doch nicht alles der Arbeitswelt unterordnen. Ich finde, ein Kind schläft am besten im eigenen Bett“, sagt eine Kita-Leiterin, die ungenannt bleiben möchte. Sie habe Verständnis für die Nöte berufstätiger Eltern, „und wir ketten hier auch kein Kind an die Mülltonne, wenn es mal eine Stunde später abgeholt wird“. Aber es gebe auch Fehlentwicklungen, etwa in den Kitas, die ganzjährig öffnen: „Da fahren manche Eltern allein in die Skiferien, und das Kind bleibt bei den Großeltern und geht weiter in die Kita. Das hat nie Urlaub.“

Kinder brauchen Urlaub

Ähnliche Beobachtungen hat Sabine Reinhardt gemacht, die die im August eröffnete Thyssen-Krupp- Kita „Miniapolis“ leitet. „Wir schließen nur zwischen Weihnachten und Neujahr, aber ich sage allen Eltern, dass ihr Kind einmal im Jahr drei Wochen Urlaub braucht.“ Auch was eine nächtliche Öffnung betrifft, ist sie skeptisch. „Wenn Kinder neun Stunden in einer Einrichtung sind, ist das für sie so anstrengend wie der Arbeitstag für ihre Eltern. Dann brauchen sie ihr Zuhause.“ Oder einen Ort, der dem Zuhause nah kommt. So habe einer ihrer Schützlinge bei der Tante gewohnt, als die Eltern auf Dienstreise waren.

Neben Öffnungszeiten von 7.30 bis 18.30 Uhr bietet Miniapolis für Notfälle an, die Kinder eine Stunde länger zu betreuen; auch kranke Kinder können bleiben. „Bislang hat das niemand in Anspruch genommen: Wenn ein Kind Fieber hatte, haben es die Eltern rasch abgeholt“, sagt Reinhardt. Der Beruf solle keinen größeren Stellenwert haben als die Familie: „Da sind auch die Unternehmen gefordert, ihre Arbeitsmodelle zu überdenken.“

Flexiblere Betreuungszeiten sind nötig

Das findet auch der stellvertretende Vorsitzende des Kinderschutzbundes Essen, Ulrich Spie: „Der Staat kann keine Rund-um-die-Uhr-Betreuung leisten, auch die Arbeitgeber müssen ihren Beitrag leisten.“ Trotzdem halte er flexiblere Betreuungszeiten für nötig. „Der Sonntag ist für mich tabu, der Samstag nicht mehr: Was soll denn die alleinerziehende Mutter machen, die im Einzelhandel arbeitet? Eine Tagesmutter kann sie nicht bezahlen.“

Der katholische Kita-Zweckverband denkt bereits konkret über samstägliche und nächtliche Angebote nach. „Obwohl das eine finanzielle und personelle Herausforderung ist“, wie Geschäftsführer Peter Wenzel betont. Es sei aber längst Realität, Kinder zu jeder Tageszeit außerhalb der Familie unterzubringen. „Und das ist nicht immer so pädagogisch wertvoll wie in der Kita.“ So habe ein Kita-Leiter einmal per Zufall erfahren, dass ein Kind beim ihm kaum bekannten Nachbarn geparkt war. „Wir wollen Eltern in Notlagen entlasten, etwa wenn die Oma ausfällt.“ Nicht jede Familie sei in der Lage, solche Situationen selbst zu meistern. „Wir müssen uns von der sozialromantischen Vorstellung lösen, dass die Familie immer das beste Umfeld für die Kinder ist.“

Kitas öffnen zwischen Weihnachten und Neujahr

Mit seinem Vorstoß, Kitas auch nachts oder an den Wochenenden zu öffnen, hat Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck manchen Beobachter überrascht. Dabei fährt der Kita-Zweckverband, dem 272 katholische Einrichtungen mit 18 000 Betreuungsplätzen angehören, schon seit längerem einen eher pragmatischen Kurs. „Wir können schließlich weder die veränderte Arbeitswelt noch die sich wandelnden Bedürfnisse der Familien ignorieren“, sagt der Geschäftsführer des Kita-Zweckverbandes, Peter Wenzel.

Und so werden auch in diesem Jahr bistumsweit 40 Kitas am 27. und 28. Dezember öffnen. Schon 2011 hatte der Zweckverband einige Kitas zwischen Weihnachten und Neujahr geöffnet und damit darauf reagiert, dass sich manche Eltern aufgrund der beruflichen oder familiären Situation auch dann eine Betreuung gewünscht hatten. Bis zu 17 Kinder hätten einige Ferientage in einer Kita ihrer Pfarrei verbracht. „Wir freuen uns, Eltern unter die Arme greifen zu können, zumal es mancherorts keine andere Betreuungsmöglichkeit gibt“, sagt Wenzel.

Zwar sei es gewiss wünschenswert, dass Kinder die Ferien mit ihrer Familie verbringen, doch dort herrsche bisweilen zu Weihnachten keine Harmonie, sondern besonders große Anspannung. Da könne ein solches Angebot für Eltern und Kinder sehr hilfreich sein.