Essen. . Aus der Islamkunde ist islamischer Religionsunterricht geworden. An der Schule an der Viktoriastraße in Katernberg wurde das Landesprojekt schon umgesetzt. Sie ist dabei die einzige Essener Grundschule. Der 38-jährige Islamkundelehrer Mustafa Tütüneken, ein gebürtiger Türke, ist Pionierarbeit gewohnt.
Wenn Mustafa Tütüneken unterrichtet, geht es dabei zum Beispiel um den Propheten Yunus. Yunus, der wie sein biblischer Namensvetter Jona später im Bauch des Wals landet, verliert die Geduld und verlässt sein Volk, ohne Gott um Erlaubnis zu bitten. Früher habe er den Grundschülern die Geschichte nur vorgestellt, sagt Tütüneken. Heute bringe er ihnen auch bei, welche Lehre sie daraus ziehen können.
„Die Hoffnung zu verlieren bedeutet, den Glauben zu verlieren.“ Aus der Islamkunde ist islamischer Religionsunterricht geworden. Die Schule an der Viktoriastraße in Katernberg ist die einzige Essener Grundschule, an der das Landesprojekt schon umgesetzt wird.
NRW ist Vorreiter, doch es fehlen Lehrer
Nordrhein-Westfalen hatte den bekenntnisorientierten Islam-Unterricht zu Beginn des Schuljahres als erstes Bundesland eingeführt, zunächst an den Grundschulen. Allein: Es mangelt an Lehrern. Weniger als 50 sind es derzeit in NRW. Die ersten Absolventen eines neuen Studiengangs der Uni Münster werden erst in ein paar Jahren in den Klassenzimmern stehen. An der Viktoriastraße in Katernberg ist man auch nur deshalb in der Lage, ein entsprechendes Angebot zu machen, weil mit Tütüneken bereits ein Islamkundelehrer vor Ort war.
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Der 38-jährige gebürtige Türke ist Pionierarbeit gewohnt. Seit zehn Jahren vermittelt er Kindern in Essen den Islam – unter welchem Namen auch immer die Pilotprojekte auf dem Weg zu einem echten Religionsunterricht gerade liefen. „Wir fangen nicht bei Null an“, sagt Tütüneken, der in Ankara Islamische Theologie und später in Bonn Religions- und Islamwissenschaften studiert hat. In Katernberg lehrt er nun 62 muslimischen Kindern der Klassen drei und vier ihren Glauben. Unterrichtet wird in deutscher Sprache – weshalb Tütüneken übrigens auch nicht von Yunus, sondern vom Propheten Jonas spricht.
Die rot-grüne Landesregierung will mit dem neuen Schulfach nicht zuletzt ein Gegengewicht zu eventuellen Begegnungen der Kinder mit ultrakonservativen Vertretern ihrer Religion schaffen. Dieser Ansatz ist allerdings umstritten, Kritiker sprechen von der Einführung eines „Staatsislam“. Mustafa Tütüneken fühlt sich nicht als verlängerter Arm der Politik. „Ich biete religiöses Wissen in etablierter Form an. Aber es bleibt ein Angebot, es darf kein Zwang sein.“ Der Theologe befürwortet das neue Modell. „Der Religionsunterricht gibt uns die Chance, die ganze Glaubensgeschichte zurückzuverfolgen und sie zugleich mit neuen, kritischen Augen zu betrachten.“
Das Angebot war überfällig,sagt die Schulleiterin
Das Angebot war überfällig, sagt Claudia Henrichwark, Leiterin der Grundschule im Essener Norden. Von den 311 Kindern hier sind 193 Muslime. „Jeder sollte die Möglichkeit haben, frei von jeder Beeinflussung seinen Glauben kennenzulernen“, so Henrichwark. „Es ist wichtig für die Kinder, ein religiöses Zuhause zu haben und den Islam so zu erfahren, dass er in unsere Gesellschaft passt, und nicht so, wie er von Populisten oder Randgruppen dargestellt wird.“
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In Katernberg ist dieses Angebot äußerst gefragt, auch in der ersten und zweiten Klasse gäbe es viele Interessierte. Doch mehr als die derzeitigen vier Wochenstunden kann Lehrer Tütüneken nicht erübrigen. Er teilt seine Zeit zwischen der Schule an der Viktoriastraße und zwei weiteren Standorten in Essen, an denen er noch die frühere Version des Fachs – Islamkunde – unterrichtet. Zudem betreut er Weiterbildungskurse für Lehrer in NRW, die selbst muslimischen Glaubens sind und neben ihren eigentlichen Fächern auch islamische Religion geben möchten.
Nicht zuletzt arbeitet Tütüneken an den Lehrplänen des Landes für das neue Schulfach mit. Ein Curriculum gibt es nämlich noch gar nicht, ebenso wenig wie Schulbücher. „Jeder Anfang ist schwer, aber man muss den ersten Schritt machen und geduldig sein.“ Tütüneken lacht. „Das haben wir von Jonas gelernt.“