Bottrop.
Immer dann, wenn es zwischen Christen und Muslimen nicht so richtig klappen will, dann wird das Gemeinsame der Religionen betont, dann wird Abraham bemüht, der Stammvater beider Religionen. Meist jedoch bleiben solche Appelle zur Gemeinsamkeit sehr abstrakt. In Bottrop jedoch haben Christen und Muslime jetzt gezeigt, dass Abraham auch sehr konkret verbinden kann: Sie haben zum ersten Mal zusammen das höchste islamische Fest gefeiert -- das Opferfest.
Kinder als Opfer heute
Bei dem Fest erinnern Muslime eben an Abraham, der laut Koran die göttliche Probe bestanden hat, weil er seinen Sohn Ismael opfern wollte. Als Allah die Opferbereitschaft erkannte, hielt er Abraham davon ab und Abraham und Ismael opferten dankbar mit Freunden einen Widder. Christen kennen die Erzählung von der Opferung Isaaks aus dem Alten Testament.
Für Muslime hat sie in dreierlei Hinsicht Bedeutung, erklärte Mustafa Tütüneken, Lehrer für Islamkunde und islamischen Religionsunterricht. Das Opfer Abrahams schaffe Nähe zu Allah. Zum anderen bedeute es das Ende von Menschenopfern. Und schließlich stecke darin auch der Hinweis auf Solidarität mit anderen Menschen, vor allem jedoch mit den Bedürftigen. „Ich appelliere, dass wir diese Freundschaft ausüben, damit Gotte Wille zustande kommt“, sagte er.
Paul Neumann, Propst an St. Cyriakus und Stadtdechant, sprach davon, dass die biblische Erzählung auch Empörung auslöst. „Wie kann Gott das verlangen, den Sohn zu opfern?“ Die Antwort suchte er auch in der Geschichte, schließlich sei die Begebenheit, auf die der Text sich bezieht, 4000 Jahre alt. Opfer seien da im Orient üblich gewesen, wenn auch Menschenopfer selten waren. Wie Tütüneken deutet er die Erzählung auch als Ablehnung von Menschenopfern. Doch Neumann blieb nicht in der Vergangenheit. „Wir sind empört über die Geschichte“, sagte er in einem leidenschaftlichen Appell, „aber Kinder sind auch heute noch Opfer.“ Sie würden als billige Arbeitskräfte ausgenutzt, wüchsen ohne Bildung auf, hungerten. Hierzulande müssten sie nicht selten für den Ehrgeiz elterlicher Pläne herhalten. „Und wir haben gerade erfahren, dass die Armut von Kindern im Ruhrgebiet besonders groß ist.“ Kinder als Opfer im Damals, Kinder als Opfer heute.
Angela Wendt-Taschbach jedenfalls war von der ersten gemeinsamen Opferfest-Feier angetan. „Ich halte sehr viel davon“, sagte sie, „dass die Religionen mehr voneinander wissen, dass man die gemeinsamen Wurzeln betont.“ Für Hülya Kaya kommt die Feier etwas spät. „Das hätte schon viel früher passieren können.“ Weil es ein Fest war, wurden anschließend muslimische Spezialitäten aufgetischt.
So blieb Abraham, Stammvater für Juden, Christen und Muslime, in Bottrop alles andere als abstrakt.