Essen. . Das Gerichtsverfahren gegen eine Essener Finanzbeamtin wurde vorläufig eingestellt. Der 65-Jährigen wird vorgeworfen, Steuererklärungen mit verfälschten Daten für Freunde gemacht zu haben. Doch die Frau drohte: Sollte sie zu einer Haftstrafe verurteilt werden, begehe sie Selbstmord.

Der psychiatrische Gutachter warnte eindringlich, sah die wegen Steuerhinterziehung angeklagte Finanzbeamtin aus Essen keineswegs als Simulantin. Ihre Selbstmorddrohung angesichts des Strafverfahrens sei ernst zu nehmen. Die I. Essener Strafkammer schloss sich an und stellte das Verfahren ein. Den Tod der Angeklagten wollte das Gericht nicht in Kauf nehmen.

„Wir sehen die Gefährdung so konkret, dass wir die Hauptverhandlung nicht durchführen können“, begründete Richter Edgar Loch den Beschluss der Kammer. Allerdings stellte sie das Verfahren nur vorläufig ein, um die Suizidgefahr später noch einmal überprüfen zu können.

Beamtin half Freunden bei Steuerhinterziehung

Steuererklärungen für Freunde hatte die Frau gefertigt. Kaffee oder Süßigkeiten gab es dafür, manchmal auch 50 oder 25 Euro. Irgendwann war die heute 56 Jahre alte Beamtin der Essener Finanzämter in Verdacht geraten, ohne Erlaubnis Steuerpflichtigen geholfen zu haben. Ermittlungen der Behörde ergaben, dass sie zwischen 2005 und 2010 insgesamt 65 „Freunden“ geholfen hatte.

Aber es fiel auch auf, dass sie für 24 dieser Steuerpflichtigen Daten verfälschte. So stiegen die Werbungskosten an, ohne dass dies belegt wurde. Entfernungen zur Arbeitsstätte, Verpflegungssätze, Haushaltshilfe: Fantasievoll hatte die Beamtin die Angaben zum Vorteil ihrer „Kunden“ geändert. Schwer fiel ihr das nicht. Schließlich war sie oft die Sachbearbeiterin, die die Steuererklärungen prüfte und genehmigte. Allerdings hielt sich der Vorteil für die Steuerpflichtigen in Grenzen. Und als Motiv sah ihr Verteidiger Wilhelm Lethen eine Art Helfersyndrom: „Sie dachte, damit Freunde haben zu können. Sie konnte auch nicht Nein sagen.“

Verhandlungsfähigkeit geprüft

Doch darum ging es am Donnerstag zum Prozessauftakt nicht. Allein die Verhandlungsfähigkeit der Angeklagten stand im Vordergrund. Der Verteidiger wies auf die Gefahr des Selbstmordes hin: „Sie sagte zu mir, dass sie nicht ins Gefängnis gehen wird, weil sie dann nicht mehr am Leben sei.“

Der psychiatrische Gutachter Dieter Oswald sah die Gefahr ebenfalls sehr ernst, als Simulantin stufte er die Frau, die seit drei Jahren wegen Depressionen psychiatrisch behandelt wird, nicht ein. Die Scham, die für sie der Prozess darstelle, sei zu groß. Das Gericht schloss sich ihm an.