Essen. Zahlreiche Kostbarkeiten zur Historie der Zeche Langenbrahm erblicken nun das Licht der Öffentlichkeit. Das kleine Privatarchiv geht an die Stadt – und dort ist man entzückt: „Hier ist ein Schatz gerettet worden.“
Wenn man so will, hat der Bergbau ihm sogar mal das Leben gerettet, zumindest aber vor Schlimmerem bewahrt. Nach dem Krieg wurde Werner Klaus frühzeitig aus einem Gefangenenlager am Niederrhein entlassen, weil er sich als Bergarbeiter-Lehrling ausgab. Jene Männer, die auf den Zechen gebraucht wurden – das hatte der 17-Jährige bald begriffen – kamen schneller heraus.
Kurzerhand zeigte Werner Klaus seine vernarbten Ellbogen vor, in denen manch kohlenschwarzer Splitter schimmerte. Dass er sich die als Gelsenkirchener Jung, aufgewachsen in unmittelbarer Nähe zur Zeche, schlicht durch Stürze beim Spielen eingefangen hatte, verschwieg er geflissentlich.
1966 war Schicht im Schacht
Jahrzehnte später rettete Werner Klaus seinerseits einer Zeche das Leben, oder zumindest das Abbild ihres Lebens: historische Fotografien, Urkunden, Lagepläne. Klaus war technischer Leiter der Zeche Langenbrahm, die einst tausenden Familien im Essener Süden das Auskommen sicherte. 1966 war Schicht im Schacht auf Langenbrahm. „Ich war dort der letzte Mohikaner.“ Als später die gesamte Registratur der Zeche verbrannt werden sollte, sicherte Werner Klaus viele der Dokumente.
Nun hat er sich entschieden, sie der Stadt zu vermachen – und dort ist man entzückt. „Hier ist ein Schatz gerettet worden“, sagt Frank Knospe, Leiter der Abteilung für Geoinformation. Die Fachleute haben das kleine Privatarchiv in den vergangenen Wochen unter die Lupe genommen. Morgen übergibt Werner Klaus seinen Schatz offiziell an Stadtdirektor Jürgen Best.
Handgeschriebene Urkunden begeistern die Experten
Neben den Luftaufnahmen der Zeche Langenbrahm, deren Aktivitäten sich im Laufe der Zeit auf Rüttenscheid, Bergerhausen und Rellinghausen erstreckten, begeistern die Experten vor allem handgeschriebene Urkunden der Werdener Abtei. Darunter ist jenes Papier, mit dem der Abt anno 1772 den Abbau auf Langenbrahm gestattete. Als Landesfürst musste er damals sein Plazet geben. „Von Gottes Gnaden“ steht in großen, geschwungenen Lettern über dem mehrseitigen Dokument, das gezeichnet ist von „Abt Anselmus“. Außerdem unter den archivarischen Kostbarkeiten: eine Korrespondenz Franz Haniels mit dem Bergamt sowie Briefe Franz Dinnendahls.
Ihr Hüter Werner Klaus verwahrte sie jahrelang in seinem Häuschen in Stadtwald. Der studierte Architekt war auch nach der Stilllegung der Zeche noch lange für die daraus erwachsene Langenbrahm AG mit ihrem erfolgreichen Immobiliengeschäft tätig. 1990 ging er in den Ruhestand.
Verständnis für die Stadt wecken
Die Zeugnisse der Zechengeschichte, die er an sich nahm, wurden zehn Jahre später zu seinem Eigentum, so will es das Gesetz. Ausbedungen hat Klaus sich bei seiner Weitergabe an die Stadt, dass die Sachen nicht im Aktenkeller landen, sondern den Essenern zugänglich gemacht werden. „Es ist etwas aus dem Leben der Stadt und soll mitwirken, Verständnis für die Stadt zu wecken.“
Den Abschied von den lange gehegten und immer mal wieder durchstöberten Archivalien sieht Werner Klaus „mit einem halben lachenden und einem dreiviertel weinenden Auge“. Das ist wörtlich zu nehmen, denn Klaus sieht auf einem Auge so gut wie nichts, immer schon. Das half ihm seinerzeit übrigens auch, aus der Nummer mit der angeblichen Bergarbeiterlehre wieder herauszukommen. Zurück in Gelsenkirchen ließ sich der junge Heimkehrer seine Bergbau-Untauglichkeit attestieren. Begleitet haben ihn die Zechen trotzdem Zeit seines Lebens. Viele Erinnerungsstücke verlassen jetzt sein Haus, die Erinnerungen aber bleiben.
Von Zechengesellschaft zu Immobilien AG
Die Wurzeln der Zeche Langenbrahm liegen nahe der „Kluse“ zwischen Stadtwald und Bredeney. Sie gilt als eine der ältesten Zechen des Ruhrgebiets. Die Urkunde, mit der die Werdener Abtei die Bergbaurechte erteilte und die unter den Archivgütern von Werner Klaus ist, soll aus dem Jahre 1772 stammen. Der erst später abgeteufte Schacht „Langenbrahm 1“ lag an der Grenze von Rüttenscheid und Bergerhausen. Drei weitere Schächte an verschiedenen Stellen im Essener Süden kamen im Laufe der Zeit hinzu. 1966 wurde die Zeche stillgelegt.
Die Zechengesellschaft war derweil als Immobilienunternehmern „Langenbrahm AG“ weiter aktiv, und das zwar äußerst erfolgreich, laut damaliger Medienberichte aber unter fragwürdigen Vorzeichen. Von einem „Börsenwunder“ schrieb 1968 der Spiegel, nicht ohne die Erklärung dafür mitzuliefern. Die Gesellschaft besaß im Essener Süden wertvolle Grundstücke und zahlreiche Zechenwohnungen, die hohe Verkaufs- und Mieteinnahmen einbrachten. Hinzu kam die Stilllegungsprämie des Bundes in Millionenhöhe. Pikant: Einen großen Teil der Aktien der Langenbrahm AG hatte zuvor Gernot Meyer erworben, erst Vorstand der Zeche, dann der Immobilienfirma.
Essener Stadtgeschichte