Essen. Ruhrgebiets-Geschichte: In Essen sind jetzt einige verschollen geglaubte Exemplare der “Zechen-Zeitung“ wieder aufgetaucht. Die Bergwerks-Leute schreiben darin über Arbeitsschutz auf dem Pütt, Betriebsausflüge an den Rhein und melden, welcher Kumpel seiner holden Maid das Ja-Wort gibt.
Die „Zechen-Zeitung“ thematisierte den Arbeitsschutz auf dem Pütt, berichtete vom Betriebsausflug an den Rhein und teilte mit, welcher Kumpel vor den Traualtar getreten ist oder wer aus der Belegschaft sich über Nachwuchs freuen durfte. Und als der Zweite Weltkrieg schließlich immer näher rückt, fand auch das wort- und bildreich Niederschlag im Blatt.
Günter Napierala aus Stoppenberg hat jetzt dem Stadtarchiv im Haus der Essener Geschichte gleich mehrere Jahrgänge der „Zechen-Zeitung“ überlassen, erschienen in den Jahren 1935 bis 1939. „Meines Wissens sind das Unikate“, freut sich Stadtarchivar Klaus Wisotzky.
Die Zechen-Zeitung während der NS-Zeit
Herausgegeben wurde die „Zechen-Zeitung“ von der Gelsenkirchener Bergwerks AG, Gruppe Gelsenkirchen, zu der die Zeche Zollverein und die Zeche Bonifacius gehörten. Mitherausgeber war ab 1933 die Deutsche Arbeitsfront, der Einheitsverband von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, den die Nationalsozialisten im Mai 1933 nach der Auflösung der freien Gewerkschaften ins Leben gerufen hatten. Die „Zechen-Zeitung“ müsse man deshalb natürlich „kritisch unter die Lupe nehmen“, so Wisotzky. „Das war NS-Propaganda pur.“ Essens Stadtarchivar spricht vom „Kampf um die Seelen der Bergarbeiter.“ Denn der gewerkschaftliche Organisationsgrad auf den Schachtanlagen war bis zum Verbot hoch.
Alle 14 Tage erschien die „Zechen-Zeitung“, um über „Errungenschaften des Nationalsozialismus“ zu berichten; als solche wird beispielsweise der Bau eines Werksschwimmbades auf Zollverein gepriesen. Auch „Kraft durch Freude“, die NS-Organisation für gemeinsame Reisen und Urlaub, spielt in der Berichterstattung eine große Rolle. Gedruckt wurde die „Zechen-Zeitung“ in Düsseldorf, wahrscheinlich wurde sie kostenlos auf den Zechen verteilt. Das letzte vorliegende Exemplar erschien im Dezember 1939. Auf dem Titelbild zeigt es einen Landser, daneben ein Text im Propaganda-Jargon der Nazis.
Vergleichbare Publikationen in Bochum
Günter Napierala war durch Zufall in den Besitz der fünf nahezu kompletten Jahrgänge gelangt. Ein ehemaliger Nachbar hatte die Ausgaben vor Jahrzehnten bei Abrissarbeiten auf der Zeche Alma in Gelsenkirchen gerettet und dem heute 77-Jährigen überlassen. Napierala stammt aus einer Bergmannsfamilie. Da er historisch interessiert sei, bewahrte er die alten Zeitungen auf, bis es galt, daheim Platz zu schaffen.
Vergleichbare Publikationen liegen im Bergbauarchiv in Bochum, allerdings finden sich dort keine Betriebszeitungen aus Essen, weiß Klaus Wisotzky. Im Stadtarchiv in der ehemaligen Luisenschule wartet nun einmal mehr aufschlussreicher Lesestoff auf Forscher und Hobby-Historiker.