Essen. Arne Thun ist seit 32 Jahren für die Pflege der Bäume in Essen zuständig. 62.000 stehen an den Straßen und trotzen den harten Umweltbedingungen. Ihr Gesundheitszustand wird regelmäßig kontrolliert. Manchmal, sagt Thun, hilft nur noch die Säge.

„Wenn Bäume laufen könnten, hätten wir wahrscheinlich keine in der Stadt“, sagt Arne Thun und grinst. Als „Hüter der Straßenbäume“ ist der diplomierte Landschaftspfleger seit 32 Jahren im Dienst der Stadt und hat gelernt, „die Körpersprache des Baumes“ zu interpretieren. Denn erfahrene Baumkenner und -liebhaber wie Thun können schon an kleinen Wuchs-Anomalien erkenne, ob es der Linde oder Platane gut oder schlecht geht.

62.000 Straßenbäume stehen derzeit im Stadtgebiet, eine Anzahl, die in den vergangenen zwanzig Jahren kontinuierlich gewachsen ist. Sie werden von Thuns Dienststelle, zuständig für Baumpflege, in regelmäßigen Abständen begutachtet. Die sieben Kollegen, allesamt zertifizierte Baumpfleger, beobachten auch die 126.000 Bäume in Grünanlagen, auf Spielplätzen, Schul- und Kindergartengrundstücken.

Hat ein Baum Verletzungen, ist er von Pilz befallen, gibt es morsche Stellen oder ist er einfach nur saft- und kraftlos, kommt er auf die Gefährdetenliste. Dann wird individuell entschieden, wie es weitergeht. Fällung oder optimistisches Abwarten - das sind die Alternativen.

Baumchirurgie bringt nichts

Früher, so erzählt Thun, gab es noch die Baumchirurgie. „Da wurde an Stämmen herumgeschnippelt - ohne erkennbaren Erfolg.“ Nur weil man die Fällung scheute. Heute weiß man, dass diese Methode nur noch mehr Schaden angerichtet hat. Denn Experten haben inzwischen herausgefunden, dass die grünen Riesen über ein eigenes Immun- und damit Abwehrsystem verfügen. Das kann bei „chirurgischen“ Eingriffen geschädigt werden.

Dass Bäume Überlebenskünstler sind, davon ist Thun überzeugt. „Die Lebensbedingungen an Straßen sind ja nicht gerade ideal.“ Trotzdem gehe es den meisten der 62.000 Bäume gut. Über 60 verschiedene Gattungen, vom Ahorn bis zum Ginko, haben sich als ideale Straßenbäume erwiesen, sind resistent gegen die schädigenden Umwelteinflüsse. Sie prägend das Grün in der Stadt und sind für ein gutes Klima verantwortlich. So sorgen sie im Sommer für Schatten und Kühle, bremsen starke Temperaturschwankungen und filtern Staub aus der Luft. Als Ökosystem seien sie einfach unübertroffen, schwärmt der Baumkenner, den jede Fällung schmerzt.

Wenn Bäume schweren Krankheiten erliegen 

Trotzdem sind sie manchmal nötig. Besonders bei schweren Krankheiten, wie der derzeit grassierenden Pseudomonas-Infektion der Kastanien. „Da hilft leider gar nichts außer der Säge.“ Woher die Seuche kommt, die über die Luft übertragen wird und europaweit Kastanien sterben lässt, ist unklar. Jetzt wird gerade geschaut, welche Bäume immun und damit für die Nachpflanzung geeignet sind. „Wir experimentieren mit Esskastanien und der gelben Rosskastanie - und sind bislang zufrieden.“

430 Bäume werden in diesem Jahr nachgepflanzt - ebenso viele werden allerdings auch der Säge zum Opfer fallen. „Grundsätzlich setzen wir neue Bäume, wenn für die alten ein Baumbeet besteht.“ Anders sieht das in Böschungen aus: Dort wird schon mal auf Nachpflanzungen verzichtet, um jungen Bäumen eine Chance zu geben, groß zu werden.

Das Fällen ist eine Notwendigkeit

„Natürlich gibt es immer wieder Beschwerden, wenn wir aus einer Reihe Robinien vier kranke Bäume fällen und nicht ersetzen.“ Wie an der Dilldorfer Straße, wo sich langsam aber sicher die jungen Bäume dem Licht entgegenstrecken. „Hier haben wir Zuwächse von einem Meter pro Jahr“, sagt Thun nicht ohne Stolz.

Dass die Verantwortlichkeit seines Handelns angezweifelt wird, kränkt den 58-Jährigen: „Kein einziger Baum wird unnötig gefällt. Warum sollten wir das tun?“ Die nachgepflanzten Bäume sind in der Regel zehn bis zwölf Jahre alt; eine Neupflanzung kostet um die 500 Euro. Bei der Auswahl setzt der Baumexperte auf eine gute Mischung von unterschiedlichen Arten. „Monokulturen sind anfälliger für Schädlinge.“

Welche Arten „zukunftsfähig“ sind, wird sich allerdings erst nach mehreren Jahren herausstellen.