Essen.

Neuanfang in der Agentur für Arbeit: Barbara Finsterbusch kam zum Bewerbungs-Training und erhielt ein Jobangebot. Statt Kunden an der Kasse zu bedienen, hilft sie jetzt als Service-Beraterin am Telefon.

„Agentur für Arbeit, Finsterbusch, guten Tag“, so wird sich Barbara Finsterbusch bald an ihrem neuen Arbeitsplatz melden, wenn die Menschen im Service-Center anrufen, die gerade ihren Job verloren haben. In deren Situation wird sich die 29-Jährige gut einfühlen können. Denn es ist noch nicht lange her, da war sie es, die am anderen Ende der Leitung Hilfe suchte. Barbara Finsterbusch hat im Juni ihren Arbeitsplatz bei Schlecker verloren.

Bis zuletzt gehofft

Die gelernte Einzelhandels-Kauffrau arbeitete zunächst in Hessen, bevor sie sich vor vier Jahren in die Heisinger Schlecker-Filiale versetzen ließ, als auch ihr Mann beruflich nach Essen wechselte. Wie sie im Frühjahr von der Insolvenz ihres Arbeitgebers erfuhr: „Kunden kamen herein und sagten, dass Schlecker pleite ist“, erinnert sie sich genau an den Freitagnachmittag, an dem sie Waren sortierte und die Filiale neu gestaltete, weil sie damals die Bezirksleitung vertrat. Am Telefon bat sie dann Freunde und Bekannte, im Internet nachzusehen.

Lange hat sie noch gedacht, „es wird schon eine Möglichkeit geben, aus der Insolvenz zu kommen.“ Das Ausmaß wurde ihr erst bewusst, als feststand, dass die Hälfte der Belegschaft gehen muss. Barbara Finsterbusch war nicht dabei. Sie hat bis zuletzt gehofft, weil sie ihren Job mochte. Daher schimpft sie auch nicht über Schlecker als Arbeitgeber. Dass sie allein im Laden standen, damit haben sie sich in ihrem fünfköpfigen Team arrangiert, sagt sie.

Im Mai tummelten sich die Kolleginnen dann ums Faxgerät, als sie auf die Information warteten, wie es mit den verbliebenen Filialen weitergeht. Statt aufzuatmen, lasen sie von der Abwicklung. „Ich war traurig“, sagt die 29-Jährige. Sie verlor ihre Arbeit und das Umfeld, ihre Kolleginnen, ihre Kunden. Die brachten ihr am letzten Tag Blumen. Nach Feierabend hat sie ihre Kolleginnen noch einmal fest umarmt. Es folgten Angst und Ungewissheit, ob sie eine neue Stelle in der Umgebung finden wird. Sie wohnen in Schönebeck, wo sie sich wohlfühlen und bleiben wollen, nicht zuletzt, weil ihr Mann seinen Job weiterhin hier hat.

Service-Mentalität

Barbara Finsterbusch schrieb Bewerbungen, erhielt Absagen, machte eine Computer-Fortbildung. Beim Treffen der ehemaligen Schlecker-Mitarbeiter in der Agentur für Arbeit fiel dann ihre Bewerbung auf. Gleich am Tag nach dem Vorstellungsgespräch folgte die Zusage: erstmal befristet für sechs Monate. Aber mit Option auf mehr, in Vollzeit und bei gleicher Bezahlung wie ihre neuen Kollegen sie als Fachangestellte für Arbeitsförderung erhalten, sagt Thomas Christofzyk (43), stellvertretender Bereichsleiter im Service-Center. Für ihn zählt, dass die neue Mitarbeiterin kundenorientiert arbeitet. Es geht um Service-Mentalität, die die 29-Jährige mitbringt, die bereits in ihrer Stimme spürbar sei. Das ist besonders wichtig, da sie ihre Gesprächspartner nicht mehr sehen wird.

Jetzt lernt Barbara Finsterbusch zunächst in einer Schulung aktiv zuzuhören und zwischen den Zeilen herauszulesen, was Anrufer nicht immer klar benennen können. Sie wird in die PC-Anwendungen eingeführt und in die Kommunikation. Den Namen des Anrufers, Danke und auf Wiederhören wird die Service-Beraterin am Ende jedes Telefonats sagen. „Tschüss wäre uns zu oberflächlich“, erklärt Christofzyk zur professionellen Telefonie. Das Gesprächsgerüst, wie es im Service-Center heißt.

Weitere ehemalige Schlecker-Mitarbeiterin eingestellt

140 neue Kollegen hat Barbara Finsterbusch, verteilt auf sieben Büros. Dort stehen je vier Arbeitsplätze zusammen und bilden eine Telefoninsel. Die 29-Jährige hat sich schon kurz vorgestellt: Mit gutem Gefühl, „endlich wieder zu einem Team zu gehören.“ Das ist für sie immer wie eine kleine Familie gewesen. In der neuen wartet noch eine Überraschung, erfährt sie kurz vor Arbeitsantritt: Das Service-Center hat gerade eine weitere ehemalige Schlecker-Mitarbeiterin eingestellt – ein altes Familienmitglied also.