Essen. . 11 von 29 Schlecker-Läden in Essen machen dicht, das steht mittlerweile fest. In den Filialen arbeiten noch Mitarbeiter wie Monika Jaensch an der Schlecker-Kasse an der Altendorfer Straße. „Schlecker war immer ein guter Arbeitgeber“, sagt sie. Jetzt kommen sie plötzlich, die Kunden. In Scharen. Zumindest in die Läden, in denen der Ausverkauf lockt.
Monika Jaensch (53) sitzt an der Kasse bei Schlecker an der Altendorfer Straße. In einer Mischung aus Trotz und Trauer sagt sie: „Schlecker war immer ein guter Arbeitgeber. Leider ist das kaum bekannt.“
Nein, eher das Gegenteil. Wenn jetzt elf von 29 Essener Filialen schließen müssen und zahllose Frauen um ihre Existenz bangen, dann hat das vor allem mit dem zu tun, was man landläufig über Schlecker weiß: Personalmangel und Unterdrückung als Management-Methode.
Monika Jaensch schüttelt energisch den Kopf. „Schlecker hat immer Tariflohn gezahlt. Es gab alle Sozialleistungen. Woanders sind die Frauen doch auch als einzige Beschäftige allein im Ladenlokal – in Spielhallen oder an Kiosken.“
Frau Jaensch geht nach hinten, durchstreift die engen Gänge. Viele Regale sind längst leer. CD-Seife für 69 Cent: weg. Bebe-Lippenpflegestifte für 1 Euro 99: weg.
Seit Mittwoch hängen rote Poster in den Fenstern der Filialen, die am nächsten Samstag, 24. März, für immer zumachen: „Ab sofort 30 Prozent auf alles, vielen Dank für Ihre Treue!“ Vorgestern ergänzten Mitarbeiterinnen diese Ansage um einige entscheidende Hinweise: „Rabatt gilt nicht für Bücher und Tabak!“
Bücher. Tabak. Es gibt auch Chips, Kaffee und Fünf-Minuten-Terrinen bei Schlecker, der ja eigentlich ein Drogeriemarkt sein soll. Vielerorts hat Schlecker den Supermarkt ersetzt, zumindest notdürftig.
„Das liegt an der wirtschaftlichen Entwicklung. Früher war es einfacher“
Frau Jaensch öffnet eine weiße Tür, auf der „Zutritt verboten“ steht, der Raum für Mitarbeiter. „Da, sehen Sie.“ Sie verweist aufs Faxgerät und das Telefon auf dem Tisch. „Natürlich haben die Läden Telefon bekommen.“ Lange Zeit hielten sich Geschichten, die Märkte seien von der Außenwelt abgeschnitten. Das – und die notorisch dünne Personal-Ausstattung – zog Räuber an. Frau Jaensch räumt ein, dass die Nummern in den Geräten vorprogrammiert seien; zur Polizei oder zum Schlecker-Zentral-Lager, persönliche Gespräche seien deshalb nicht möglich. An der Wand hängen Fotokopien in Klarsichtfolie: „Urkunde.“ Ausgezeichnet werden 25 Jahre Betriebstreue. Auf den Blättern ihr Name. Sie arbeitet seit 28 Jahren hier.
Apropos Zentral-Lager. „Im Herbst fing es an, da kam plötzlich Ware nicht mehr, man erzählte uns was von Lieferproblemen. Wir haben unsere Stammkunden vertrösten müssen, die kamen wieder und wieder. Erst haben wir uns nichts dabei gedacht.“
Der Umsatz sei in den vergangenen Jahren auch in ihrer Filiale leicht gesunken. „Aber das ist überall hier im Stadtteil so, das liegt an der wirtschaftlichen Entwicklung. Früher war es einfacher.“
Altendorf hat sich verändert. Geschwungene Neon-Schriftzüge aus den Sechziger Jahren sind die letzten Zeugen einer bürgerlichen Vergangenheit: „Frisurenmoden Kieseler“. Metzgerei „Ohters“. Und Bäckerei „Heyer, seit drei Generationen.“ Ansonsten: Leere Läden, Kioske und Handyshops, die erst seit gestern da sind und morgen vielleicht schon nicht mehr. Oder Automaten-Spielcasinos, deren Fenster von oben bis unten mit bunter Werbefolie verklebt sind. Und mittendrin, in bester Lage: Schlecker.
Man steht jetzt Schlange bei Schlecker in diesen Tagen
Auch dieser Markt hat schon bessere Tage gesehen. Die Eingangstür quietscht beträchtlich, und man muss drei Stufen hoch, bis man im Laden ist. Für Alte und Mütter mit Kinderwagen eine Zumutung.
Jetzt kommen sie ja, die Kunden. In Scharen. Man steht jetzt Schlange bei Schlecker in diesen Tagen, zumindest in jenen Märkten, die Ausverkauf haben. Junge Mütter tragen Türme aus Windelpaketen aus dem Geschäft. Ein alter Mann fragt, ob es die 30 Prozent Rabatt auch für Ware gebe, die bereits reduziert sei. „Ich sag’ manchen, wärt Ihr mal früher gekommen“, sagt Monika Jaensch.
Eigentlich ist sie gelernte Friseurin. Sie wohnt hier in Altendorf, kaufte damals Babybrei bei Schlecker, ganz normal, als Kundin, ihre beiden Kinder waren klein. Und irgendwann fragte man sie, ob sie nicht bei der Inventur helfen wolle. „Da bin ich da so reingerutscht.“
Die Kinder sind längst groß. Die Tochter arbeitet auch bei Schlecker. Ob sie weiterbeschäftigt werden, wissen beide nicht. Frau Jaensch zuckt mit den Schultern. Was tröstet, sind Worte der Kunden. Oder Gesten.
In Holsterhausen, an der Gemarkenstraße, im Schatten der wuchtigen Backsteinkirche Maria Empfängnis, schließt Schlecker auch. Dort zahlt eine Kundin ein Pfund Kaffee. „Hier, für euch“, sagt die gebückte Frau und drückt das Paket der Mitarbeiterin im weißen Kittel in die Hände.