Essen. . Hoffen und Bangen - so lässt sich das Gefühlsleben der Schlecker-Mitarbeiter in Essen zurzeit wohl am besten erklären. Noch ins unklar, welche Filialen geschlossen werden sollen. Fünf Essener Schlecker-Märkte, fünf verunsicherte Mitarbeiterinnen treffen wir. Von einem „Knochenjob“ ist die Rede.

Dass Christian Wulff den Ehrensold bekommen soll, regt mich richtig auf.“ Eine hitzige Diskussion führen der Kunde eines Schlecker-Marktes und eine Kassiererin und sind sich im Grunde einig. „Der hat nichts geleistet, um das zu verdienen“, sagt der Kunde und die Dame fügt an: „Wer weiß, was ich bekomme, wenn hier die Lichter ausgehen.“

Das klingt bitter und ein bisschen nach Wut und ist wohl dem Umstand geschuldet, dass die Mitarbeiter der Drogeriemarktkette sich seit Monaten auf einem Schleuderstuhl sitzen fühlen. Als einen „Zustand zwischen Hoffen und Bangen“, beschreibt es die Kassiererin einer weiteren Filiale.

Fünf Essener Schlecker-Märkte, fünf verunsicherte Mitarbeiterinnen treffen wir. Von Kollegen, die Glück hatten als es im Herbst an die ersten Schließungen ging wissen einige zu erzählen. „Die sind in anderen Läden untergekommen.“ In einem nächsten Schritt willigten viele Teilzeitkräfte ein, ihre Stunden zu reduzieren. „Da wussten wir schon, dass es Schlecker nicht gut geht. Wie verfahren die Situation ist, hat uns aber alle überrascht.“

„„Aber immerhin bleibt jeder zweite Laden erhalten“

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So gingen an der Frohnhauser Straße die Lichter aus und an der Helfenbergstraße. Im Januar machte die Niederlassung Altendorfer Straße dicht – und das war erst der Anfang. Die Hälfte der bundesweit 3000 Filialen will der Insolvenzverwalter mangels Rentabilität im Eiltempo aufgeben, um den Schaden zu begrenzen. Nahezu 11 750 der 25 000 Angestellten müssen damit gehen. Genaueres wissen die Mitarbeiterinnen der 29 Essener Filialen nicht. „Aber immerhin bleibt jeder zweite Laden erhalten. Vor ein paar Wochen dachten wir noch, dass wegen der Insolvenz alle Läden geschlossen werden.“

Doch auch so wirft das Chaos Wellen. Im kruden Angebotsmischmasch aus Spirituosen und Windeln, DVDs, Haarspülung und liegen gebliebenen Weihnachts-Büchern zum Sonderpreis gibt es noch immer Lücken. „Seit ein, zwei Wochen gibt es zwar wieder mehr Ware. Doch einige Stammkunden haben wir schon verprellt.“ Die kamen ein, zwei, drei Mal. „Und als wir sie immer nur vertrösten konnten, haben sie sich umorientiert.“

Doch viele sind auf den Discounter vor Ort angewiesen. „Ich bekomme einige Sachen auch im Lebensmittelhandel um die Ecke. Aber bei weitem nicht in dieser breiten Auswahl“, sagt Regine Balzer, die regelmäßig in der Filiale an der Rellinghauser Straße einkauft. Die Drogeriekette, die 1a-Lagen und damit teure Mieten scheut, ist in vielen Stadtteilen eher Anlaufstelle für ältere Kunden, die den Nahversorger vor Ort bauchen. „Hier kriege ich alle Toilettenartikel und muss nicht extra in Zentrum fahren“, sagt Maria Schaltner. „Wenn die Filiale hier zumacht, muss ich meine Kinder bitten, für mich Waschmittel und Weichspüler zu kaufen. Das ist zu schwer, um es weit zu schleppen.“

„Vielleicht schweißt uns das auch so zusammen“

Vorerst jedoch geht der Verkauf weiter, füllen sich die Regale wieder, „es muss sich aber erst noch rumsprechen, dass wir wieder mehr Ware haben“, sagt eine Frau, die in Personalunion Verkäuferin, Kassiererin, Packerin ist. Was zeigt: Noch immer funktioniert das System Schlecker über den Personalnotstand. Eine Voll- und zwei Teilzeitkräfte gibt es pro Filiale. „Da muss jeder mit anpacken. Vielleicht schweißt uns das auch so zusammen. Für mich wäre es wirklich schlimm, wenn ich das hier verliere“, sagt eine Mitarbeiterin, die seit mehr als 20 Jahren in Vollzeit dabei ist.

„Ich habe drei Kinder großgezogen, da konnte ich nicht auch noch arbeiten. Also ich dann hier angefangen habe, war das eine Chance für mich.“ Nur im Notfall habe sie krank gefeiert, Überstunden nicht notiert. Ein Knochenjob sei es oft gewesen, „ohne Vergünstigungen. Ich glaube kaum, dass Herr Wulff da mithalten kann. Aber im Gegensatz zu ihm hab’ ich nichts, wenn’s hier zu Ende geht.“