Essen. Leser hinter Gittern: Bei der Aktion “WAZ öffnet Pforten“ führte Anstaltsleiter Herberth Paffrath durch das Gefängnis in der Krawehlstraße. Er berichtete über gescheiterte Ausbrüche, den Knast-Alltag und den Umgang mit den Gefangenen.

Ein karger Raum mit Bett. Auf acht Quadratmetern stehen Schreibtisch, Stuhl, Schrank und Kloschüssel. An der Wand hängen Waschbecken und ein kleiner Spiegel. Der Blick nach draußen führt vorbei an den Gitterstäben und endet an der gegenüber liegenden Fassade, die unterbrochen ist von den vielen vergitterten Fenstern mit den Nummern darunter. Oben auf dem Dach glänzt der messerscharfe Klingendraht. Versuche, aus dem Gefängnis herauszukommen, die gebe es laufend, sagt Herbert Paffrath, Anstaltsleiter an der Krawehlstraße. „Aber in den vergangenen zehn Jahren ist es dabei geblieben“, antwortet er auf die Frage des WAZ-Lesers Siegfried Holler, der an einer Führung in der Justizvollzugsanstalt teilnimmt.

530 Männer sitzen an dem Morgen ein, es sind verurteilte Strafgefangene und diejenigen, die „noch nicht wissen, wie lange sie bleiben“ (Untersuchungshaft). Auf dem Papier hat das Gefängnis 514 Haftplätze, in Spitzenzeiten sind dort bis zu 570 Häftlinge untergebracht.

Bis zu fünf sitzen lebenslänglich

Die meisten Inhaftierten sind zwischen Ende 20 und Anfang 40. Ihre Urteile reichen von Beugehaft bis lebenslänglich mit anschließender Sicherungsverwahrung. Lebenslänglich trifft auf drei bis fünf zu, sagt Paffrath. Die vorzeitigen Entlassungen („das Gängige ist nach zwei Dritteln der Strafe“) beziffert er mit 30 pro Jahr. Die Rückfallquote schätzt er auf 50 Prozent, „belastbare Zahlen gibt es nicht“. Bei den Bewegungen (Inhaftierung, Entlassung, Wechsel) in Rüttenscheid schon: 8000 im Jahr.

Den Tagesablauf regelt ein diensterfahrener JVA-Beamter in der Zentrale, von der aus auf bis zu fünf Etagen die Gänge mit den Zellen kreuzförmig abgehen. Sie enden immer vor einer verschlossenen Brandschutztür.

Freizeitanspruch auf Schach, Musik und türkisches Gebet

Eine Stunde am Tag verbringen Inhaftierte in einem der fünf Höfe. Dazu kommt ihr Freizeitanspruch auf Schach, Musik, türkische Gebetsgruppe oder Bibelstunde. 300 treiben Sport. Paffrath: „Sport spielt im Knast neben Arbeit und Einkauf die wichtigste Rolle“. Nicht nur, weil die Männer sich auf dem Sportplatz, in der Mehrzweckhalle bei Fuß- oder Volleyball austoben oder in der Muckibude ihren Ausgleich finden, sondern weil sie „über den Sport Regeln und Sozialverhalten lernen“. Es gibt sogar ein Fußballturnier mit Mannschaften anderer Haftanstalten und Firmen, mit denen sie zusammenarbeiten.

Wie die Häftlinge im Knast Geld verdienen können 

200 Insassen haben eine Arbeit, auf die sie bis zu sechs Monate warten. Etwa 100 Männer sind als Reinigungskräfte für Höfe oder den Winterdienst rund um die JVA zuständig. 20 arbeiten als Handwerker wie Schreiner oder Elektriker, 14 in der Küche. Weitere Jobs schaffen Betriebe, die Rohprodukte im Gefängnis zusammenbauen lassen, darunter Spiegel für Porsche oder Rückfahrleuchten für VW. „Bis Mitte Juli hatten wir Vollauslastung“, sagt Paffrath. Dabei gab es nach der Wiedervereinigung auch schwierige Zeiten, als Betriebe wegen niedriger Löhne lieber Inhaftierte in China beschäftigten.

An der Krawehlstraße gilt der Heimarbeitstarif, durchschnittlich sind es elf Euro am Tag. Vier Siebtel werden laut Gesetz für die Entlassung verbucht, erklärt Paffrath in der Halle, in der Inhaftierte Schlösser montieren. Andere sind unterwegs zum Einkauf, wo es Zigaretten, Briefmarken und Batterien gibt. In den langen Gängen, die immer vor einer verschlossenen Tür enden, begegnen sie den Gästen. „Es ist ein komisches Gefühl“, findet nicht nur Ingrid Birkholz.

„Der Umgang mit den Gefangenen ist entspannt“

„Der Umgang mit den Gefangenen ist entspannt“, beruhigt Paffrath, der regelmäßig falsche Vorstellungen (z.B. durch Fernsehserien), gerade rückt. Auch Angriffe auf Beamte seien die Ausnahme. So wie Handfesseln, sogar wenn es durch den unterirdischen Gang zum Gericht geht. Bis auf etwa zwei Mal im Jahr, sagt der Leiter, der durchaus feststellt, dass die Straftäter zunehmend gefährlicher werden. „Die meisten Verstöße hier liegen im Bagatellbereich, so dass Reden oft reicht“, sagt Paffrath. Falls nicht, treffen Sportsperre oder Fernsehentzug mehr als etwa der Arrest in einer leeren Zelle. Der habe zudem den ungewollten Hierarchie-Effekt, dass das Ansehen des Betroffenen steigt, erläutert Paffrath ein Stück Knast-Kultur. Und auch die Verbote: Handy, Alkohol, Drogen, von denen kleinere Mengen durchaus in die JVA gelangen, wenn etwa jemand vor Haftantritt ein Tütchen schluckt, sagt Paffrath zum Abschluss. Siegfried Holler ist beeindruckt: „Ich habe mehr gesehen und erfahren, als ich mir vorgestellt habe.“