Essen. . Auch am Essener Uni-Klinikum befürchtet man, dass der aktuelle Transplantationsskandal die Bereitschaft zur Organspende nachhaltig beeinträchtigt – dabei sollte doch gerade alles besser werden.

Wenn es um Organspende geht, sind gute Nachrichten zugleich fast immer auch schlechte. Ein Mensch bekommt neue Hoffnung, weil ein anderer stirbt. Noch vorgestern, sagt Ulrike Wirges, habe es in Nordrhein-Westfalen eine Kinderspende gegeben. Für die geschäftsführende Ärztin der Deutschen Stiftung Organtransplantation mit NRW-Sitz in Essen ist das eine gute Nachricht. Denn sie hört dieser Tage, in denen immer mehr Details über den Göttinger Transplantationsskandal bekannt werden, auch andere, in jeder Hinsicht schlechte: „In drei Fällen haben Angehörige gesagt, dass sie durch den Skandal verunsichert seien, und eine Transplantation abgelehnt.“

Erheblicher Imageschaden für Ärzte und Organisationen

Auch am Essener Uni-Klinikum, dem größten Lebertransplantationszentrum Deutschlands, befürchtet man einen Einbruch der Spendenbereitschaft. „Natürlich treibt uns diese Sorge um“, sagt Dr. Gernot Kaiser, Transplantationsbeauftragter des Hauses. „Zumal man gerade die Hoffnung hatte, dass es sich zum Besseren entwickelt.“ Das zum 1. August in Kraft getretene neue Transplantationsgesetz soll für ein erhöhtes Spendenaufkommen sorgen, indem es dazu anhält, sich stärker mit dem Thema zu beschäftigen und seine persönliche Haltung zu dokumentieren.

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Nun freilich hat die Transplantationsmedizin mit einem erheblichen Imageschaden zu kämpfen. Am Essener Uni-Klinikum, in der Vergangenheit selbst nicht skandalfrei (siehe Infobox), spricht man sich in der Folge für größtmögliche Transparenz aus. „Man muss sich klar dazu bereit erklären, alles offenzulegen und sich jederzeit kontrollieren zu lassen, von welcher Institution auch immer“, so Gernot Kaiser mit Blick auf die Forderung von Ärztekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery nach schärferer Kontrolle. „Das wird der nächste Schritt sein müssen, wenn es immer wieder zu solchen Fällen kommt.“

Der Transplantationsbeauftragte bestätigt, dass die Aufsicht derzeit nicht so engmaschig ist, wie der Laie sich das vorstellen mag. Unangekündigte Besuche vor Ort etwa gebe es in der Regel nicht, im Kern gehe es um die Kontrolle von Dokumenten. „Da läuft vieles auf Vertrauensbasis.“ Die weit verbreitete Lesart, nach der der Göttinger Fall lediglich die Spitze des Eisbergs sei, lehnt Kaiser allerdings ab. „Das ist kein Systemfehler, sondern Betrug.“

Forderung nach Kodex werden laut 

Auch bei der Deutschen Stiftung Organtransplantation spricht man von einem „sehr individuellen Fehlverhalten dieses Chirurgen“. Gleichwohl: „Mein Vertrauen ist erschüttert. Wir müssen jetzt generell aufräumen“, sagt NRW-Geschäftsführerin Wirges. Bislang gebe es „keine Anhaltspunkte dafür“, dass auch in den nordrhein-westfälischen Transplantationszentren etwas im Argen liege. Umso mehr müsse man mit guter Arbeit künftig offensiv werben. „Ich würde mir wünschen, dass wir zusammen mit den Zentren ein Signal geben und sagen: Wir sind sauber.“

Zugleich gelte: „Ein gutes System kann immer noch verbessert werden.“ Wirges fordert einen Kodex für alle Transplantationszentren in Nordrhein-Westfalen, in dem man gemeinsame Kontrollstandards festlegt. Hier empfehle sich ein Blick über den Tellerrand. „In den USA soll es ganz andere Kontrollsysteme geben“, sagt die DSO-Vertreterin, deren Organisation zuletzt freilich ebenfalls in der Kritik stand. Die DSO, die den Organspende-Prozess koordiniert, habe sich durch Vetternwirtschaft und Missmanagement mitschuldig gemacht am Rückgang der Spenderzahlen, so der Vorwurf.

Dass sich der Blick der erstaunten Öffentlichkeit nach den Organisatoren nun auch noch auf die Ausführenden des Transplantationsbetriebs richtet, macht die Sache nicht besser. Wirges appelliert an potenzielle Spender, die Ärzte nicht unter Generalverdacht zu stellen. „Lassen Sie sich in Ihrer persönlichen Einstellung, ob Sie helfen möchten, nicht von solchen Machenschaften beeinflussen.“