Göttingen. Der Organspende-Skandal am Universitätsklinikum Göttingen weitet sich aus. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft auch wegen des Anfangsverdachts von Tötungsdelikten gegen einen Arzt, der Patien-Akten gefälscht haben soll, um Menschen schneller eine Spenderleber zu verschaffen.
Der Organspende-Skandal am Universitätsklinikum Göttingen weitet sich immer mehr aus. Neben einem beschuldigten Oberarzt stehe nun auch ein weiterer leitender Arzt im Verdacht, Patientendaten im Zusammenhang mit Organtransplantationen manipuliert zu haben, teilte das Uniklinikum am Donnerstag mit. Die Staatanwaltschaft Göttingen leitete gegen die beiden Mediziner Ermittlungen wegen des Anfangsverdachts auf Tötungsdelikte ein.
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt gegen die beiden Mediziner bereits wegen Bestechlichkeit. Parallel dazu werde nun geprüft, ob durch die Bevorzugung bestimmter Patienten bei der Organtransplantation möglicherweise andere Patienten nicht rechtzeitig eine Spenderleber erhalten haben und deshalb gestorben sind, erklärte die Göttinger Staatsanwaltschaft.
Im großen Stil Kranken-Akten manipuliert ?
Ein schon länger im Visier der Ermittler stehender Transplantationsmediziner des Göttinger Uniklinikums soll in großem Stil Krankenakten manipuliert haben, um bestimmten Patienten bevorzugt eine Spenderleber zu verschaffen. Es sollen unter anderem Laborwerte manipuliert und Dialyseprotokolle gefälscht worden sein, um zum Beispiel neben der Lebererkrankung auch noch Nierenprobleme vorzutäuschen. Dies verbessert die Position auf der Warteliste, die für die Zuteilung eines Spenderorgans relevant ist.
Die Ermittlungen gegen den Oberarzt wurden inzwischen ausgeweitet, nachdem in der vergangenen Woche weitere Verdachtsfälle bekannt wurden. Seit Montag werde gegen ihn wegen insgesamt 23 „konkreter Verdachtsfälle manipulierter Patientendaten“ ermittelt, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Braunschweig. Sie bestätigte damit Informationen der „Süddeutschen Zeitung“. Der beschuldigte Oberarzt, der nicht mehr am Göttinger Uniklinikum arbeitet, hat sich bislang nicht gegenüber den Ermittlern geäußert.
Weitere verdächtige Fälle am Uniklinikum Regensburg
Gegen den zweiten verdächtigten Arzt werde seit Montag wegen Bestechlichkeit ermittelt, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Braunschweig. Er sei mit Voruntersuchungen von Patienten vor einer Organtransplantation betraut gewesen und habe damit Einfluss auf die Patientendaten nehmen können. Am Mittwoch seien Wohnung und Arbeitsplatz des Mediziners durchsucht und Unterlagen im Zusammenhang mit Lebertransplantationen der vergangenen zwei Jahre beschlagnahmt worden. Der Arzt habe bisher keine Angaben zu den Vorwürfen gemacht.
Auch an der früheren Arbeitsstätte des verdächtigten Oberarztes, dem Uniklinikum Regensburg, soll es laut „Süddeutscher Zeitung“ weit mehr Unregelmäßigkeiten bei Organtransplantationen gegeben haben als bislang angenommen. Mehrere jordanische Patienten, die am Jordan Hospital in Amman operiert wurden, seien fälschlicherweise als Patienten des Uniklinikums auf die Warteliste für ein Spenderorgan gesetzt worden, obwohl sie darauf keinen Anspruch hatten. Bislang war nur der Fall einer jordanischen Privatpatientin bekannt, der der Mediziner 2005 eine Leber eingepflanzt hatte.
Das Universitätsklinikum Regensburg erklärte am Donnerstag, es sei bei dem genannten Vorgang kein Gesetzesverstoß des Oberarztes festgestellt worden. Als Konsequenz seien dennoch Richtlinien für künftige „Organtransplantationen mit Auslandsbezug“ erarbeitet worden. (afp)