Berlin/Essen. Am Uniklinikum Göttingen deutet sich ein Skandal ungeahnten Ausmaßes an: Der Leiter des dortigen Transplantationszentrums soll Patientendaten gefälscht haben, um ihnen schneller ein neues Organ zu verschaffen. Nun sorgen sich Politiker um Spendenbereitschaft der Bürger.
Ausgerechnet wenige Wochen nach Verabschiedung des Organspendegesetzes deutet sich am Uniklinikum Göttingen ein Transplantationsskandal von nie gekanntem Ausmaß an.
Der damalige Leiter des Transplantationszentrums soll 2010 und 2011 von mindestens 25 Patienten die Krankenunterlagen gefälscht haben. Auf diese Weise sollten sie schneller eine neue Leber bekommen. Der Skandal könnte sich noch ausweiten. „Wir müssen schauen, ob es noch ältere Fälle gab“, sagte der Vorsitzende der Ständigen Kommission Organtransplantation, Hans Lilie, der WAZ Mediengruppe. An einen schlimmeren Vorfall in der Geschichte der deutschen Transplantationsmedizin könne er sich nicht erinnern.
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Von den Vorwürfen gegen den Mediziner hat das Uniklinikum nach eigenen Angaben am 21. November 2011 erfahren und ihn tags darauf beurlaubt. Er soll Patienten durch angeblich schlechte Laborwerte kranker gemacht haben als sie wirklich waren. So konnten sie auf der Warteliste für eine Leber nach oben rutschen. Wo sich der 46-Jährige heute aufhält, ist unklar. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft unter anderem wegen Bestechlichkeit. So sollen Patienten für ein Organ gezahlt haben. Ein Sprecher der Göttinger Uniklinik sagte: „Dass 25 Patienten betroffen sein sollen, hat uns erschreckt. Da fragt man sich: Macht das einer alleine?“
Lauterbach fordert harte Strafen
Vertreter aus der Politik reagierten bestürzt. Es sei nicht nur gesetzeswidrig, „sondern höchst respektlos und ethisch in höchstem Maße verwerflich, wenn Organe nicht nach medizinischer Dringlichkeit transplantiert“ würden, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums. Sollten sich die Anschuldigungen bestätigen, müsse dies Konsequenzen haben. „Wenn die Vorwürfe zutreffen, dann müssen die Gerichte die Verantwortlichen sehr hart und abschreckend bestrafen“, sagte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach der WAZ.
Der Skandal könnte ein Rückschlag für das Transplantationsgesetz werden. Dieses soll die Bereitschaft der Bürger zur Organspende steigern. Das Gesundheitsministerium befürchtet nun, dass dies nun ausbleibt. Gesetzliche Konsequenzen aus dem Göttinger Fall lehnte es aber ab. Die deutschen Lebertransplantationszentren wollen sich künftig freiwillig unangekündigten Kontrollen unterziehen.