Berlin. Tag eins für das neue Transplantationsgesetz und schon fordern Mediziner Nachbesserungen. Der Ärzteverband Marburger Bund hat sich am Mittwoch dafür eingesetzt, dass mehrere Ärzte gemeinsam die Daten von Patienten erfassen. Nur so könne ein Skandal wie an der Göttinger Uniklinik verhindert werden.
Der Ärzteverband Marburger Bund hat eine weitreichende Reform des Transplantationsgesetzes gefordert, um einen Skandal wie in Göttingen in Zukunft zu verhindern. Der Vorsitzende Rudolf Henke sprach sich am Mittwoch im NDR für ein Mehraugen-Prinzip aus. Statt wie bisher nur ein Arzt sollten künftig mehrere Mediziner die Daten eines potenziellen Organempfängers gegenzeichnen, um Missbrauch zu verhindern. Die am Mittwoch in Kraft getretenen gesetzlichen Änderungen zum Transplantationsgesetz hält Henke für nicht ausreichend.
In jeder Klinik soll ein Transplantationsbeauftragter die Spenden koordinieren
Mit dem neuen Transplantationsgesetz werden unter anderem die rund 1400 Kliniken mit Intensivstationen, die für Organtransplantationen in Frage kommen, verpflichtet, einen Transplantationsbeauftragten zu berufen. Dieser soll die Angehörigen potenzieller Spender beraten und die Organspende koordinieren. Zudem werden Lebendspender, die einem Angehörigen eine Niere geben, besser abgesichert. Sie haben künftig unter anderem Anspruch auf Lohnfortzahlung für sechs Wochen. Bisher mussten sie für den Eingriff zum Beispiel Urlaub nehmen.
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Nach Angaben des medizinischen Vorstands der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), Günter Kirste, fehlt bislang allerdings noch die Finanzierung für die Transplantationbeauftragten, die jetzt vorgeschrieben sind. Zugleich glaubt er nicht, dass das neue Transplantationsgesetz direkt zu mehr Organspenden führen werde. Die neuen Regelungen seien aber "ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung", sagte Kirste im RBB.
Zwei Göttinger Ärzte sollen Daten manipuliert und Patienten bevorzugt haben
Zwei leitende Ärzte sollen am Göttinger Uniklinikum Daten von Patienten manipuliert haben, so dass diese bei Organtransplantationen bevorzugt wurden. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt wegen Bestechlichkeit. Parallel dazu ermittelt die Staatsanwaltschaft Göttingen wegen des Anfangsverdachts von Tötungsdelikten. Geprüft wird, ob durch die Bevorzugung von Patienten bei der Organtransplantation möglicherweise andere Patienten nicht rechtzeitig eine Spenderleber erhalten haben und deshalb gestorben sind.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Ulrich Montgomery, forderte unterdessen in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" härtere Konsequenzen für die betroffenen Ärzte, bis hin zur Entziehung der Approbation. Zugleich sprach er sich in der "Passauer Neuen Presse" vom Samstag dafür aus, die Kompetenzen der Kontrollgremien von Deutscher Stiftung Organtransplantation und Bundesärztekammer zu erweitern. Diese müssten "schon bei geringstem Verdacht aktiv werden können".
Krankenkassen wollen Versicherte künftig regelmäßig über das Thema Organspende informieren
Eine weitere Neuerung im Transplantationsgesetz - die Regelung zur sogenannten Entscheidungslösung - tritt erst zum 1. November in Kraft. Versicherte erhalten von ihrer Krankenkassen künftig regelmäßig ein Schreiben, mit dem sie über die Organspende informiert und zur Abgabe einer freiwilligen Erklärung über ihre Bereitschaft zur Organspende aufgefordert werden. Zudem sollen die Behörden bei der Ausgabe von amtlichen Ausweisen - wie etwa Reisepass oder Führerschein - Informationsmaterial zur Organspende verteilen. Damit soll erreicht werden, dass sich mehr Menschen mit dem Thema Organspende befassen. (afp / dapd)