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Letztlich sprachen nur die Bilder in den Träumen der Frau für die angeklagte Tat. Mehr nicht. Denn der 29-Jährigen fehlt jede Erinnerung an die Nacht, in der ein 26-Jähriger sie nach einer Feier in der Essener Uni vergewaltigt haben soll. So blieb dem Essener Amtsrichter Rolf Märten nichts anderes übrig, als den Studenten aus Mangel an Beweisen vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs einer Widerstandsunfähigen freizusprechen.

Ob auf der Uni-Feier K.O.-Tropfen in den Gläsern der beiden landeten? Denn auch der Angeklagte gibt an, ihm fehle die Erinnerung an diese Nacht. Schlecht sei ihm gewesen. Die 29-Jährige hätte er erst auf der Feier am 4. November kennengelernt. Getanzt hätten sie zusammen. Zwei, drei Bier will er getrunken haben, als ihm so schlecht wurde, dass er nach draußen rannte und sich übergeben musste.

Freundin drängte zur Anzeige

Anschließend orderte er nach seinen Worten eine Taxe, in der schon die 29-Jährige gesessen hätte. Irgendwie landeten sie in seiner Wohnung. Dazwischen gibt es wohl Szenen, dass die Frau während der Fahrt die Tür des Autos öffnet und von ihm festgehalten wird. Es heißt auch, er hätte sie in seine Wohnung gezerrt. Aber ob das praktisch geht, wenn die Wohnung im dritten Stock liegt und die Frau keine Abschürfungen oder Prellungen an ihrem Körper bemerkt?

Die konkrete Erinnerung der beiden setzt wieder ein, als sie am 5. November früh morgens erwachten, beide recht unvollständig bekleidet. Die Frau meint, er hätte sie daran gehindert, mit ihrer Freundin zu telefonieren. Tatsächlich rief sie diese aber an, offenbar von seinem Handy. Zu ihr ging sie später, erzählte, was ihr passiert war, klagte über Erinnerungslücken. Die Freundin hätte sie schließlich zur Anzeige gedrängt.

Einvernehmlich, betont sie, habe sie auf keinen Fall mit dem Angeklagten geschlafen. Sie sei nämlich lesbisch, wolle von Männern nichts wissen. Auch ihren Frauenarzt suchte sie auf. Er habe aber keine Spuren eines Geschlechtsverkehrs feststellen können.

Schwangerschaft befürchtet

Der Angeklagte präsentiert eine komplett andere Version. Zeitweise will er sich selbst als Opfer einer Art „Samenraub“ sehen. Denn als er morgens erwachte, fürchtete er, die Frau hätte es darauf angelegt, seinen Zustand auszunutzen, um von ihm schwanger zu werden. Das hätte er unbedingt unterbinden wollen und ihr deshalb eindringlich geraten, die „Pille danach“ zu nehmen. Was in der Nacht vom 4. auf den 5. November 2011 tatsächlich passiert ist? Keine Ahnung.

Die Frau dagegen hat konkrete Bilder vor Augen, dass der Angeklagte auf ihr gelegen habe. Allerdings gibt es diese Bilder nur in ihren Träumen, vor einem Strafgericht fehlt ihnen jeder Beweiswert. Klarer wird der Fall dadurch nicht. Richter Märten erfährt noch, dass die Frau früher persönliche Probleme hatte, sich auch selbst Schnittverletzungen zugefügt hat. Aber das liegt schon einige Jahre zurück. Drogenprobleme haben wohl beide nicht; weder die 29-Jährige noch der Angeklagte.

Über das Telefon ermittelt

Ermittelt hatte die Polizei den Studenten, weil sie das Telefon der Freundin ausgewertet hatte und dort seine Nummer fand. Im Gerichtssaal wunderte sich die 29-Jährige, als sie den Angeklagten sah. Sie hatte ihn anders in Erinnerung, kräftiger. Schnell ging das Verfahren zu Ende. Angesichts der Beweislage folgte Richter Märten den gleichlautenden Anträgen von Staatsanwältin Katharina Küpper und Verteidiger Clemens Louis auf Freispruch.