Essen. Es ist eine Premiere: Erstmals läuft in Essen ein Bürgerbegehren gegen eine Bezirksvertretung. Das „Stadtteilparlament“ hatte entschieden, die Von-Seeckt- und die Von-Einem-Straße in Irmgard- und Ortrudstraße umzubenennen. Das sorgte bei Anwohnern für einen Sturm der Entrüstung.
Es ist eine Premiere, und deshalb sind nicht nur die unmittelbar Betroffenen gespannt: Erstmals ist in Essen offiziell ein Bürgerbegehren gegen das Votum einer Bezirksvertretung (BV) im Gang. Ende Mai beschloss das „Stadtteilparlament“, das unter anderem für Rüttenscheid zuständig ist, die Von-Seeckt- und die Von-Einem-Straße in Irmgard- und Ortrudstraße umzubenennen. Unter vielen der betroffenen Anwohnern brach ein Sturm der Entrüstung los. Der von einer Mehrheit aus SPD, Linken und Grünen mit politisch-historischen Bedenken begründete Akt wurde als willkürlich und zudem als in der Sache falsch und übertrieben empfunden.
Seit einigen Tagen ist nun die 15 Köpfe zählende Initiative „ProVon“ mit der Sammlung von Unterschriften beschäftigt. Die Aufgabe ist anspruchsvoll. Von den - Stichtag 30. Juni - 45 598 wahlberechtigten Einwohnern des Stadtbezirks II müssen nach den Vorgaben der Gemeindeordnung mindestens sechs Prozent das Bürgerbegehren unterschreiben. „Das wären genau 2736 Unterschriften“, rechnet Dirk Köpe, Mitarbeiter im städtischen Wahlamt vor. Die Frage lautet: „Sind Sie dafür, dass die Von-Seeckt-Straße und die Von-Einem-Straße ihre Namen weiterhin behalten sollen?“ Wer den Beschluss der BV ändern will - oder wer findet, dass die Bürger selbst über dieses Thema befinden sollten, müsste mit Ja stimmen, wer es beim Beschluss belassen will, mit Nein.
Die Zeit rennt für die Initiative
Da erfahrungsgemäß zehn bis 15 Prozent der abgegebenen Unterschriften falsch oder unvollständig sind, will der Sprecher der Bürgerinitiative, Thomas Hurwitz, auf Nummer sicher gehen: „Wir brauchen 3500 Unterschriften, sonst riskieren wir ein Scheitern.“ Und: Bis 31. August müssen die Unterschriften beisammen sein. Denn die Gemeindeordnung besagt, dass von der Entscheidung bis zur Vorlage der Unterschriften im städtischen Wahlamt nur drei Monate vergehen dürfen.
Diese kurze Frist bereitet schon deshalb Probleme, weil sich natürlich nicht jeder Einwohner von Rüttenscheid, Bergerhausen, Rellinghausen und Stadtwald - sie bilden den Bezirk II - für zwei kleine Anwohnerstraßen und deren Namensgebung interessiert. Die Mitglieder der Initiative wollen nun Klinken putzen und sich in der Öffentlichkeit tummeln, etwa auf Wochenmärkten und bei Festen. „Zudem bekommen wir logistische Hilfe von CDU und FDP“, sagt Hurwitz. Beide Parteien gehörten in der Bezirksvertretung zu den Unterlegenen und wollen nun diese Scharte auswetzen.
Erst spät vom Bürgerbegehren erfahren
Mut macht Hurwitz eine erste, allerdings für das Begehren nicht relevante Aktion, bei der mühelos 430 Unterschriften zusammen gekommen seien - ohne große Mobilisierung. Hurwitz ärgert sich, dass der Juni ungenutzt vorbeizog. „Wir haben erst spät von der Möglichkeit eines Bürgerbegehrens erfahren.“ Nun rennt die Zeit.
Sollte die Initiative das Quorum schaffen, muss der Rat der Stadt zunächst offiziell die Rechtmäßigkeit des Begehrens feststellen. Dann wäre wieder die Stadtteilpolitik am Zuge. Die Bezirksvertretung kann entscheiden, ob sie dem Begehren beitritt und damit von ihrem eigenen Beschluss abrückt oder ob sie es auf einen Bürgerentscheid ankommen lässt. Kommt es zu letzterem, würde im Stadtbezirk II mit Rüttenscheid als Kern eine regelrechte kleine Wahl stattfinden, bei der laut Aussage des Wahlamtes 15 Prozent der Wahlberechtigten mit Ja stimmen müssten. Dann hätte die Initiative endgültig gewonnen und es bliebe bei den alten Straßennamen.