Essen. .

Betriebe und Bosse – ein bisschen Wirtschaftsförderung per Adresse. Die „Verewigung“ der örtlichen Wirtschaft in Straßennamen ist ein besonderes Kapitel.

Zum100-jährigen Firmenjubiläum war er fällig – Wilhelm Girardet, geboren 1838, gestorben 80 Jahre später: Der Buchdrucker und Kommerzienrat, langjährige Stadtverordnete und Förderer öffentlicher Einrichtungen hatte sich, so fand man in jenen Juni-Tagen 1965, einen Platz auf dem Straßenschild redlich verdient. Und deshalb wohnen sie mitten im Rüttenscheider Pudding seit beinahe 50 Jahren an der „Girardetstraße“.

Die „Verewigung“ der örtlichen Wirtschaft in Straßennamen ist ein besonderes Kapitel. Eines, das schwankt, zwischen lokalpatriotischem Stolz samt tiefer Verneigung vor unternehmerischem Erfolg einerseits. Und peinlichen Angewanze sowie unangenehm berührender Nachgiebigkeit andererseits, weil man als Stadt dem Drängen des potenten Gewerbesteuerzahlers irgendwie nichts entgegenzusetzen wusste.

Straßenumbenennungen für Konzerne

Manchmal muss man den zahllosen Marketingstrategen ausgestatteten Dickschiffen der Wirtschaft regelrecht dankbar sein: Von der Stadt jedenfalls kam keiner auf die Idee, am Aalto-Theater einen „Opernplatz“ zu erfinden, das war die RWE AG. Und bevor noch jemand das Neubaugebiet an der Kokerei Zollverein in „Furchenacker“ tauft (eine Bürgeridee) – warum nicht der RAG Montan nachgeben, die „Im Welterbe“ doch irgendwie besser vermarktbar fand?

Besonders hilfreich ist es für die Umbenennungen allemal, wenn nur die jeweilige Firma und allenfalls noch eine Handvoll Nachbarn zu den Anliegern zählt: Dann muss anno 2006 der sächsische Markscheider Friedrich Boehnert schon mal seinen Platz auf dem Straßenschild räumen, damit im Schatten der Schönebecker Deichmann-Zentrale aus dem Boehnert- der Deichmannweg wird. Und wenn sie bei Eon Ruhrgas besser schlafen können, seit die Konzernzentrale nicht mehr an der Brüsseler Straße, sondern am Brüsseler Platz steht – bitte. Die 2008 vorgenommene Benennung kostete, wie eine Verwaltungsvorlage verrät, gerade mal 150 Euro fürs neue Schild.

Grugaplatz oder Rudolf-von-Bennigsen-Foerder-Platz

Das war auch fällig, als der Grugaplatz vor rund 20 Jahren den Namen des 1989 verstorbenen langjährigen Veba-Vorstandsvorsitzenden bekommen sollte: Rudolf-von-Bennigsen-Foerder-Platz – das war mit 34 Ziffern bzw. Zeichen der mit Abstand längste Straßenname der Stadt, so lang, dass das „von“ auf dem Schild sogar mit („v.“) abgekürzt wurde.

Die Essener Begeisterung für den Straßennamen schwand beträchtlich, als die für die Wohnungssparte zuständige Veba- Tochter am Rudolf-von-Bennigsen-Foerder-Platz den Standort Essen verließ. Im Mai 1999 folgte die „Strafe“ auf dem Fuße – die Rückbenennung in Grugaplatz.

Die Halbwertzeit von Umbenennungen, sie hängt offenbar auch von der lokalen Überzeugung ab, den richtigen Namen getroffen zu haben. Dass die Ranschmeiße an die Wirtschaft mitunter etwas peinlich wirken kann, zeigt die Umtaufe eines Abschnitts der Straße „Am Fernmeldeamt“ in Holsterhausen. Die heißt jetzt „Am EUROPA-CENTER“.

Hoffentlich fällt wenigstens genügend Gewerbesteuer ab.