Essen. Gibt es den großen planerischen Wurf für 40 Hektar industrielles Brachland? Stadt Essen und RAG Montan Immobilien schmieden erste Pläne für die alten Lagerflächen auf dem Schachtgelände Emil südlich der A42. Ideen, die das Ödland beleben könnten, gibt es viele. Doch, da sind sich die Beteiligten einig, es braucht dazu mehr, als nur ein paar Windräder.

Tapfer bricht sich das Grüne seine Bahn durch den grauschwarzen Bodenbrei. Lilafarbener Sommerflieder sprießt an allen Ecken – ein Paradies für Schmetterlinge müsste das hier sein, aber dazu ist es derzeit wohl zu kalt und zu nass. Und weit und breit findet sich ohnehin keiner, der sich daran erfreuen könnte. Also gilt der Blick dem Boden, der nach einem kräftigen Regenguss den Schuh nur unter leisem Schmatzen wieder hergibt.

Vor ziemlich genau 110 Jahren haben sie hier begonnen, Kohle abzubauen, Emil 1 und 2 hießen die Schächte, exakt sieben Jahrzehnte später war damit Schluss. Und in den verbliebenen 39 Jahren ist nicht mehr ganz so viel passiert auf der gigantischen Brachfläche zwischen Emscherschnellweg, Gladbecker und Daniel-Eckhardt-Straße, einer Fläche von gut und gerne 40 Hektar industriellem Ödland.

Nur noch ein kleiner Hügel mit Kohle ragt aus dem Gelände hervor

40 Hektar, das sind 400.000 Quadratmeter und würde reichen für 80 Fußballplätze nebeneinander, für das komplette Messegelände, den Borbecker Schlosspark oder das Centro, wenn man die Parkplätze weglässt. Grund genug also, sich ein paar Gedanken mehr zu machen, was mit einem solchen Areal anzufangen wäre, wenn man nur könnte, denn die Zeit dafür ist gekommen: Nach vielen Jahren als Kohlelagerfläche hat die RAG entschieden, in Fragen der Kohle-Logistik das Areal für entbehrlich zu halten. Wo auf den Luftbildern von „Google Maps“ noch mehrere Kohlehalden zu erkennen sind, dazu diverse Bahn-Waggons für den Transport, ragt mittlerweile nur noch ein kleiner Hügel mit Walsum-Kohle im nördlichen Teil aus dem Gelände hervor.

Sanieren, ja – aber was und wofür?

„Die ist qualitativ nicht besonders hochwertig“, sagt Rainer Peters. Aber allemal gut genug, um ihm und Michael Otto beim Erklimmen der Minihalde einen guten Überblick darüber zu bescheren, was ihnen – wohl noch auf Jahre hinaus – die Arbeit sichert: Eine jener Flächen, denen die RAG Montan Immobilien Wandel und damit Zukunft verspricht: immer dann, wenn der Bergbau sich verabschiedet hat und neue Ideen und Flächenkonzepte gefragt sind. Was tun mit 40 Hektar Land in unmittelbarer A42-Nähe?

Projektleiter Peters arbeitet daran seit 2007, immer wieder mal, mit immer neuen Anläufen: Es gilt, dicke Bretter zu bohren, sich mit der Stadt auszutauschen, sich Gedanken über die Erschließung zu machen, über Kosten und Zeitläufe. Schon jetzt steht fest: Man wird sanieren müssen, und das nicht zu knapp, weil auf einem Teilgelände einst eine Kokerei stand. Eine, bei der die Chemiewaggons notentladen wurden, wenn im Krieg die Flieger kamen. Michael Otto, Diplom-Geologe und für das so genannte „Abschlussbetriebsplan-Verfahren“ zuständig, weiß, dass deshalb noch manche Sauerei im Boden stecken dürfte.

"Minimallösung zur Gefahrenabwehr"

Und man vielleicht einen Kindergarten an der Ecke des Geländes genauso vermeidet wie ein Kleingarten-Areal für Selbstversorger. Aber was stattdessen? Anfang 2013 könnte ein Sanierungsplan stehen, aber vorher muss Otto wissen, für welche Folgenutzung er sanieren soll: Zwischen der Minimallösung zur „Gefahrenabwehr“, wie das so schön heißt, und einer anspruchsvollen Sanierung liegen viele Millionen Euro – und Zeit.

Wenn es nach der RAG Montan Immobilien ginge, so Rainer Peters, dann würde erst mal eine Teilfläche von rund zehn Hektar gewerblich entwickelt, ohne dass es auf dem Rest des Areals eine große Lösung blockiert. Ohnehin ist die ursprüngliche Idee, die Flächen zusammen mit der Nachbarstadt Bottrop auf die jetzt noch erforderlichen Kohlelager-Flächen am Sturmshof auszuweiten, passé: Die Bottroper haben kein Geld, kein Personal, keine Kapazitäten, heißt es. Der RAG-Tochter scheint dies nicht ungelegen zu kommen, weil auf der Suche nach der idealen großen Lösung schon so manches Jahr(zehnt) ins Land gehen kann.

Darum beäugt man etwas mit Skepsis, dass die Stadt Essen „die Gesamtlösung sucht“, wie Peters mit einem Seufzer zwischen den Zeilen formuliert. In der Tat mag man im Deutschlandhaus „nicht stückeweise vorgehen und von einzelnen Genehmigungsanträgen überrascht werden“, wie Andreas Müller, der stellvertretende Leiter des Planungsamtes, es beschreibt: „Die große Krux ist: Im Detail ist die Fläche schlecht erschlossen.“ Kommt die A52 irgendwann noch?

Rücksicht auf das A52-Phantom

Eine gute Frage, auch für das Gelände. Schon vor 15 Jahren schmiedete die Stadt Pläne, das Entree in die Stadt via B224 planerisch zu verbessern – und scheiterte, weil davon die Baulinien des Autobahn-Phantoms A52 betroffen wären, das hier eine voluminöse „Anschlussstelle Teilungsweg“ vorsieht.

Auch darum, so Müller, blieb alles wie es ist. Mit RAG Montan Immobilien würde man sich gern auf einen Rahmen- oder Masterplan einigen. Dort wäre für die von der RAG favorisierten Logistikunternehmen genauso Platz wie für die gesetzliche Sicherung des vorhandenen Waldes, vielleicht könnte eine eigene Auf- und Abfahrt zur A42 den Verkehr entzerren, vielleicht auch das eine oder andere Windrad entstehen.

Ausgerechnet dieser letzte Plan hat schon den Weg in die Medien gefunden, was Rainer Peters und sein Haus nicht übermäßig glücklich macht. Er weiß nur zu gut, dass 400.000 Quadratmeter Ödland mehr Ideen brauchen, als ein paar Windräder am Rande, zumal nach 2018, wenn der deutsche Steinkohlen-Bergbau endet und die Kohlelager-Flächen nördlich der A42 zur Debatte stehen. Weitere 40 Hektar, die auf eine neue Zukunft warten.